I. Kapitel: Armut und Entsolidarisierung im modernen Kapitalismus.

1. Armut ist im öffentlichen Bewußtsein der Bundesrepublik ein randständiges Thema. Die vom DGB und den Sozialverbänden vorgelegten Armutsberichte werden von der politischen Öffentlichkeit routinemäßig zur Kenntnis genommen, haben aber keine nachhaltigen Diskussionen auslösen können. Auch der Bericht der Bundesregierung über Armut und Reichtum in Deutschland, der im Mai 2001 vorgelegt wurde, und der den Fortbestand der Armutsproblematik unterstreicht, hat daran nichts geändert. Im Gegenteil: Weil dieser Bericht keine dramatische Verschärfung der Lebenslagen armer Menschen beschreibt, scheint von ihm ironischerweise sogar eher ein Beruhigungsaffekt auszugehen.Armut gilt hierzulande noch immer als ein Problem allein der wirtschaftlich unterentwickelten Länder der Dritten Welt und von Regionen Süd- und Osteuropas. In Deutschland, so die weit verbreitete Meinung, ist Armut ein Phänomen der Vergangenheit - von marginalen Randgruppen und speziellen Gruppen unter den Ostdeutschen abgesehen, die von Teilen der Bevölkerung und der politischen Klasse allerdings in wachsendem Maße zu "sozialen Parasiten" umdefiniert werden. Die langanhaltende Wohlstandsentwicklung im "goldenen Zeitalter" (Hobsbawm) des Nachkriegskapitalismus hat eine umfassende soziale Aufstiegsdynamik freigesetzt, die sich in die Lebensstile und Gesellschaftsbilder nicht allein der oberen, sondern auch der breiten Milieus der sozialen Mitte so fest eingeprägt hat, daß die öffentliche Aufmerksamkeit für die prekären Lebenslagen auf den unteren Etagen des Gesellschaftsbaus beschädigt wurde. Die seit den 80er Jahren zum festen Bestandteil des ökonomischen Systems geronnene Massenarbeitslosigkeit scheint die Tendenzen zu einem mehr oder weniger zaghaften Wohlfahrtschauvinismus in Teilen der Gesellschaft eher noch tiefer verwurzelt und zugleich mit einer enormen 'Macht der Verdrängung' ausgestattet zu haben. In der emsigen Betriebsamkeit des individuellen Vorankommens spüren zwar immer mehr Menschen auch die wachsende Gefahr, selber ins Heer der Arbeitslosen abzusteigen. Aber zu einer politisch folgenreichen Wahrnehmung insbesondere des Unterschieds zwischen einer wohlfahrtsstaatlich abgesicherten Phase der Arbeitslosigkeit und einer Lebenslage, die mit elementaren Entbehrungen und dauerhaften Diskriminierungen verknüpft ist, hat dies bisher nicht geführt. Gewiß ist die Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich gegen soziale Risiken wie Alter, Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit noch immer relativ gut abgesichert. Doch ist mit der Abschaffung eines manifesten Massenelends die Armut weder aus der Realität verschwunden, noch können die rund 8 Millionen Menschen, die heute in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze leben, individuell für ihr Schicksal verantwortlich gemacht werden, wie es das zynisch auftrumpfende Selbstverständnis von Modernisierungsgewinnern suggeriert. In dem ökonomisch und kulturell ungeheuer reichen High-Tech-Kapitalismus, mit dem wir es heute zu tun haben, werden die neuen sozialen Leitbilder um die Figuren des flexiblen Arbeitskraftunternehmers, des kreativen Selbständigen im Dienste von Konzernen, des hedonistischen Konsumenten und der mobilen, bindungsarmen Privatperson herum aufgebaut. Diese Leitbilder verschieben die Balance zwischen Ökonomischem und Politischem und untergraben das Vertrauen der Gesellschaft ihr ihre politische Steuerbarkeit. Sie üben eine enorme Faszination aus und ergreifen die Vorstellungskraft selbst dort, wo die Alltagserfahrung weit von ihnen entfernt ist. In einer solchen Situation wird die Armutsproblematik leicht in das "Unterholz der Wirklichkeit" abgedrängt, mit der sich nur noch die 'Nestbeschmutzer' des Standortes D. beschäftigen. Infolge der achselzuckenden Gleichgültigkeit einer Öffentlichkeit, die zunehmend auf die Interessen und Mentalitäten der kaufkräftigen und sozial integrierten Mehrheit programmiert ist, erreicht die Armutsproblematik offensichtlich nur schwer jene Schwelle, an der sie als Herausforderung für eine Politik der Gerechtigkeit anerkannt werden kann.

2. Die Konzentration der Politik auf den ökonomischen Standortwettbewerb stellt den Sozialstaat in Frage und verletzt historisch bereits erreichte Standards der sozialen Gerechtigkeit. Innerhalb der sozialen Milieus der Deklassierten verfestigt sich der Eindruck, einer neuen Gruppe der "Überflüssigen" anzugehören. Dieser Eindruck produziert 'heiße Gefühle', getragen von einem verfestigten Angstklima, das von zwei Erfahrungen zugleich ernährt wird: (1) der Erfahrung zunehmend prekärer Existenzbedingungen und materieller Entbehrungen, vor allem aber (2) des Entzugs gesellschaftlicher Solidarität durch soziale und symbolische Praktiken der Ausgrenzung. Solidarität ist das erste Opfer neoliberaler Theorie und Praxis, und dies ist deshalb so dramatisch, weil infolge der Erosion von Solidarität auch die Hoffnungen armer Menschen, von ihren staatsbürgerlichen Freiheiten und produktiven Fähigkeiten zukünftig wieder sinnvollen Gebrauch machen zu können, zerstört wird. Lebensgeschichtlich verdunkelte Zeit- und Erwartungshorizonte, soziale Scham und die tragische Inkorporation des Elends vor allem in die gesellschaftlichen Früherfahrungen der nachwachsenden Generation sind einige der Folgen einer Politik des hartnäckigen sozialen Ausschlusses. Für das moderne Gerechtigkeitsdenken ist es grundlegend, das Abgleiten eines Teils der Bevölkerung in Armut als unvereinbar mit den Mindeststandards einer menschlichen Existenz zu kritisieren. Armut verhindert die Ausbildung von Autonomie, Integrität und menschlicher Würde. "Würde" geht begriffsgeschichtlich auf "werden" zurück und bezeichnet einen für die Entfaltung eigener Lebensentwürfe konkret erreichbaren Möglichkeitsraum. Selbst die Theorien des modernen Liberalismus teilen die Prämisse, die vordringlichste Aufgabe der Politik sei es, der Entstehung von Armut entgegenzuwirken. Das politische Projekt des wirtschaftsliberalen Umbaus der Gesellschaft, das seit den 70er Jahren von Unternehmerverbänden und konservativen Think Tanks vertreten, ideologisch auf Hochglanz poliert und massenmedial etwa in der demonstrativen, zur Bewunderung auffordernden Zurschaustellung der 'Reichen und Schönen' repräsentiert wurde, hat die soziale und wirtschaftliche Kluft zwischen Reichtum und Armut in einem Maße vertieft, wie man es sich nach Jahrzehnten der wohlfahrtsstaatlichen Einbettung des Kapitalismus kaum vorstellen konnte. Dennoch scheint es heute, mit nur noch geringen Nuancierungen, zu einem parteienübergreifenden Projekt geworden zu sein. Es stellt sozial- und steuerstaatliche Traditionen radikal infrage und unterwirft immer größere Bereiche der Sozialpolitik der Logik der Vermarktlichung und dem Prinzip der individuellen Vorsorge. Obgleich die öffentliche Sprache, mit der diese Preisgabe politischer Gestaltungsaufgaben legitimiert wird, sich in geradezu inflationärer Weise der Huldigung des Individuums und seiner Freiheit bedient, werden zugleich Töne eines neuen Autoritarismus immer unüberhörbarer. Das Spektrum der Vorschläge in der öffentlichen Debatte reicht von repressiven Maßnahmen und finanziellen Kürzungen gegenüber Wohlfahrtsempfängern, die mit allen Mitteln in den Niedriglohnsektor gezwungen werden sollen, bis hin zu einer Politik des "strafenden Staates" gegen die Armen, wie sie in einigen amerikanischen Bundesstaaten praktiziert wird. Das gesamte Gefüge der institutionellen und rechtlichen Grundlagen einer Politik der sozialen Integration demokratisch verfaßter Gesellschaften wird unter dem Druck der betriebswirtschaftlichen Interessen (des Mittelstands ebenso wie der international operierenden Konzerne) immer weiter gelockert. Dies hat unabsehbare Konsequenzen für den Realitätsgehalt aller Bürgerrechte, nicht allein der sozialen. Die schamlose Einschüchterung der Untersten soll nicht zuletzt bei der öffentlichen Akzeptanz sowohl einer für die Gefährdungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts blinden ökonomischen Logik wie einer ohnmächtigen und hilflosen Politik aushelfen. Denn diese beruht auf schwachen Legitimationsgrundlagen. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen belegen, daß in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern auch, eine wachsende Skepsis gegenüber dem neoliberalen Projekt um sich greift, die verknüpft ist mit der deutlichen Ablehnung des angloamerikanischen Modells und mit der Suche nach einer modernen sozialstaatlichen Alternative im Rahmen europäischer Traditionen.

3. Die tiefgreifenden Kommerzialisierungsschübe in praktisch allen Lebensbereichen insbesondere in den 90er Jahren, verschärfen die Ausgrenzung, lösen aber heute quer durch fast alle sozialen Milieus Verunsicherung und ein wachsendes Unbehagen aus. Die neoliberale Vermarktlichung hat ihr organisierendes Zentrum in der Arbeitswelt, wo das Kapital mit der Rhetorik der Anpassung an 'weltwirtschaftliche Zwänge' und konjunkturelle Lagen historisch neue Formen der Flexibilisierung und der verdichteten Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft durchsetzt. Wortschöpfungen wie "Arbeitskraftunternehmer" verweisen nicht nur auf eine neue Semantik, sondern auf eine veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit, in der von den Beschäftigten eine möglichst umfassende Verinnerlichung der Unternehmensziele erwartet wird. Zeitlich flexibel und unter Hintanstellung von privaten Interessen und Beziehungen soll sich die Ware Arbeitskraft den Entwicklungen der Märkte und der Produktionsziele unterwerfen. Die individualisierte Bereitschaft, den eigenen Status zu halten oder zu verbessern und sich in der innerbetrieblichen Konkurrenz zu behaupten, trägt zur Aushöhlung kollektiver Regelungen und Sicherheiten bei. Das führt zu den bekannten Paradoxien einer Verlängerung von Lebensarbeitszeiten bei den Erfolgreichen - bei gleichzeitiger Massenarbeitslosigkeit; zum Ableisten teils unterbezahlter Überstunden - bei gleichzeitigem Verzicht auf Neueinstellungen; zu hoher Mobilität bei den einen - während die anderen zum immobilen Nichtstun verdammt sind. Der Einzelne, der als 'Arbeitskraftunternehmer' sich flexibel und mit sichtbarem Eigenengagement den Unternehmenszielen unterordnet, verliert die Fähigkeit, den Betrieb auch als Ort sozialer Beziehungen und solidarischer Bindungen wahrzunehmen. Er tritt seinen Kollegen fast ausschließlich als Konkurrent gegenüber, der seine 'Gegenspieler' mißtrauisch daraufhin abschätzt, ob es sich lohnt, in eine Beziehung zu ihnen zu 'investieren', oder ob es 'effektiver' ist, sie bei der Jagd nach kurzfristigen Erfolgen zu übervorteilen. Das Taxieren des Anderen, von Betriebswirten zur 'sozialen Kompetenz' geadelt, verdrängt den Typus kooperativer sozialer Beziehungen nicht nur innerhalb des Betriebs. Die Muster 'verwilderter Selbstbehauptung' (Horkheimer) wirken auch in andere Lebenssphären hinein und können zum Modell einer Lebensführung werden, die egalitäre und solidarische Umgangsformen anachronistisch erscheinen läßt. Sie binden zugleich psychische Energien, disziplinieren die innere Natur im Zeichen von Macht und Geld, zehren an der Substanz schöpferischer und phantasiebegabter menschlicher Eigenschaften. Werden sie bestimmend für das Verhalten im privaten Raum, etwa gegenüber den eigenen Kindern, so ergänzen sie aufs (für marktradikale Ideologen) Vortrefflichste die Reduktion des Menschen auf einen sorglosen und trendabhängigen Konsumenten, die von der Ästhetik der Werbung suggestiv inszeniert wird. Das allerneueste Handy gewinnt dann besondere Attraktivität, wenn es vor allem demonstrieren soll, daß man nicht arm ist und nicht zu den Verlierern im Kampf um soziale Positionen gehört. Es wäre allerdings ein Irrtum anzunehmen, daß all diese Mechanismen in die Persönlicheitsstrukturen der Menschen so widerstandslos eindringen wie der Teufel in die Kreatur. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen belegen, daß das Unbehagen an den Folgen des neoliberalen Kältestroms sogar bei den Gewinnern dieser Entwicklung wächst. Quer durch fast alle sozialen Milieus wachsen die Irritationen über die gesellschaftlichen Folgen der radikalen Ökonomisierung von Arbeitsorganisation, Lebenszeit und sozialen Umgangsformen. Die flächendeckende Ausdehnung von Profitdenken und Egoismus, der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg einer Ellenbogengesellschaft zeigt selbst für diejenigen ein abschreckendes Gesicht, die ihre Ellenbogen erfolgreich zu gebrauchen wissen. Eine eindeutige Mehrheit der Deutschen hat heute das gespenstische Empfinden, der soziale Wandel laufe unter dem Primat betriebswirtschaftlicher Rationalität immer undurchschaubarer und unberechenbarer ab. Unsicherheiten auslösend wirkt dabei insbesondere, daß die Sphäre der Politik als immer kraftloser wahrgenommen wird, und das Institutionensystem der Demokratie als unfähig, echte Reformen durchzusetzen. Diese Tendenzen eines prinzipiellen Imageverlusts der politischen Sphäre übersteigen das Maß dessen, was einst bloß 'Politikverdrossenheit' hieß. Denn nach 16 Jahren christdemokratischer Stagnation gab es immerhin noch die Hoffnung auf eine Reformalternative innerhalb des bestehenden Institutionensystems, die allerdings, wenn sie enttäuscht wird, in eine Haltung umzuschlagen droht, die das Vertrauen in die sinnvolle und verantwortliche politische Gestaltbarkeit des Gemeinwesens zunehmend verliert. Unter gewiß gänzlich anderen Bedingungen, aber mit der Ausbeutung von ähnlichen antipolitischen Stimmungen hat Berlusconis Koalition in Italien ihre Wahl gewonnen. Ein neues Gefühl der Ohnmacht (Erich Fromm) gegenüber der ungesteuerten Naturwüchsigkeit des Sozialen macht sich breit, deren Folgen heute noch unabsehbar sind. Näheverhältnisse und private Beziehungen avancieren daher zum (wenigstens vorgestellten oder erträumten) letzten Stabilitätsrest innerhalb der Lebenszusammenhänge, obgleich diese Verhältnisse der eigenen Erfahrung entsprechend nicht weniger zerbrechlich geworden sind. Und während im gesellschaftlichen mainstream das Unbehagen an den Folgen der beschleunigten Flexibilisierung der Arbeitswelt und der Kommerzialisierung der Lebenswelt zunimmt, sind auch "harte" Haltungen gegenüber Sozialhilfeempfängern und anderen Unterstützungsbedürftigen verbreitet. Dies vermag auch zu erklären, weshalb in der politischen Klasse ein Überbietungswettbewerb bei der Disziplinierung von Leistungsempfängern ausgebrochen ist. In diesen merkwürdig zwiespältigen Einstellungen spiegelt sich das Ausmaß einer Fragmentierung des Alltagsbewußtseins, das mitnichten aus einem Guß ist.

Dieses Memorandum soll zu einer Diskussion beitragen, die diese Ambivalenzen politisch wieder bearbeitbar macht. Ohne eine Politik der Armutsdisziplinierung kann auch der Druck auf die Normalarbeitsverhältnisse nicht mit solcher Wucht betrieben werden, wie es geschieht. Demgegenüber muß eine Politik der effektiven Aufhebung von Armut und des Abbaus sozialer Ängste auf einen gesellschaftspolitischen Klimawandel abzielen, der den Horizont für die menschliche Ausgestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen auch der Mehrheit öffnet. Es geht auch um die Rückgewinnung eines Raums politischer Gestaltung und Entscheidung. Die gesellschaftliche Entwurfsphantasie wird blockiert bleiben, solange die sozialdarwinistischen Entsolidarisierungen gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft nicht gebrochen sind.

II. Kapitel: Armut und Reichtum in Deutschland

Lange Zeit waren es nur einzelne Sozialforscherinnen und Sozialforscher, die Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften, die auf die wachsende Armut hingewiesen und politische Konsequenzen gefordert haben. 1994 trat auf Initiative von Friedhelm Hengsbach und Matthias Möhring-Hesse eine Gruppe von Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern mit der Erklärung "Solidarität am Standort Deutschland" an die Öffentlichkeit, in der eine Reformpolitik gegen die soziale Ausgrenzung und Spaltung gefordert wurde. Die christlich-liberale Regierung hat es mehrfach abgelehnt, sich auch nur auf eine Analyse dieser Entwicklung einzulassen. Gewiss hat die rot-grüne Regierung mit ihrem "Ersten Armuts- und Reichtumsbericht" über die "Lebenslagen in Deutschland" dieser Nichtbeachtung der zunehmenden sozialen Spaltung ein Ende bereitet und damit ein wichtiges Politikum geschaffen. Die Daten, auf denen diese Analyse beruht, sind aber, vor allem, was den Reichtum betrifft, immer noch nicht ausreichend, geben aber doch schon wichtige Hinweise über das Ausmaß der entstandenen Ungleichheit.

Die Gesichter der Armut

Wir beschränken uns auf Deutschland, ohne zu verkennen, dass in weiten Teilen der Welt viel größere Armut existiert und die Politik in den "reichen" Ländern der Welt ihre Beseitigung wirksam unterstützen muss. Die immense Not der Dritten Welt darf uns aber nicht daran hindern, auf soziale Missstände im eigenen Land hinzuweisen.

Die Armut hat viele Gesichter. Sie ist so komplex wie die Lebensverhältnisse der Menschen selbst. Im Vordergrund stehen in der Regel die Einkommen. Sie sind zwar nur eine Dimension der Armut. Doch bedingen geringe finanzielle Mittel eines Haushaltes oft auch weitere Armutserscheinungen: unzumutbare Wohnverhältnisse, eine trostlose Umgebung, schlechte Bildungschancen, gehäuftes Auftreten von Krankheiten und vor allem die unerträglichen Bedingungen, unter denen viele Kinder und Jugendliche aufwachsen müssen. Alle diese Komponenten werden im Begriff der "Lebenslage" zusammengefasst. Da diese jedoch nur schwer quantifizierbar ist, wird Armut hauptsächlich an den verfügbaren Einkommen festgemacht. Nach dem Maßstab der relativen Einkommensarmut, den OECD und Europäische Union festgelegt haben, gelten alle diejenigen als arm, deren Einkommen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens ausmacht. Das Ausmaß der Armut nach dieser Definition wäre noch höher, würden die Einkommen vollständig erfasst. Bei vielen offiziellen Rechnungen werden die hohen Einkommen über 85.000 DM gar nicht berücksichtigt, so dass das Durchschnittseinkommen zu niedrig angesetzt wird und so auch die Armutszahlen zu niedrig ausfallen.

Nach der Untersuchung von Hanesch/Krause/Bäcker (siehe Anhang 1) betrug das Durchschnittseinkommen in Deutschland 1998 monatlich 1.648 DM netto pro Kopf. Höchstens die Hälfte davon, also 824 DM, erhielten 1998 9,1 % der deutschen Bevölkerung (siehe Anhang 2), so dass man davon ausgehen kann, dass 7,6 Millionen Menschen in Deutschland arm sind.

Die Bundesregierung hat eine andere Datenbasis zum Maßstab genommen (siehe Regierungsbericht S. 26 ff.). Danach sind die Armutsquoten gemessen an den Mittelwerten in Westdeutschland von 6,5% der Gesamtbevölkerung im Jahre 1973 auf 9,0% im Jahre 1998 gestiegen. In Ostdeutschland sind sie dagegen von 19,0% im Jahre 1993 auf 15,0% im Jahre 1998 gesunken. In Gesamtdeutschland sind es 1998 10,1% der Bevölkerung( 8,3 Millionen Menschen), die mit ihren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegen.

Die genannten Zahlen entsprechen einfachen, arithmetischen Durchschnittswerten. Gewichtet man wie der Regierungsbericht jedoch die einzelnen Mitglieder der Haushalte unterschiedlich (ein Erwachsener = 1,0, ein weiterer Erwachsener = 0,7, Kinder bis zu 18 Jahren = 0,5) und bildet ein so genanntes Äquivalenzeinkommen, weil der Bedarf mit zunehmender Personenzahl in einem Haushalt pro Kopf sinkt, und schaltet den Einfluss von Extremwerten mithilfe eines "Medians" aus, dann ergibt sich eine niedrigere Armutsschwelle und die Anzahl der Betroffenen sinkt erheblich. Nach den Angaben des Regierungsberichtes verringert sich dann die Armutsquote 1973 in Westdeutschland auf 3,1% und 1998 in Gesamtdeutschland auf 5,7%, was immer noch 4,7 Millionen Menschen entspricht.

Wird die Armutsschwelle auf 40% des Durchschnittseinkommens gesenkt, so sind nach Hanesch /Krause/Bäcker (siehe Anhang 2) 1998 3,1% der Bevölkerung in Deutschland, also 2,8 Millionen Menschen, betroffen. Wird die Einkommensgrenze dagegen nach oben auf 60% des Durchschnittseinkommens verschoben, dann erhalten nach dem Regierungsbericht 19,6% oder 16 Millionen ein Einkommen unterhalb dieser Grenze. Beim Median sind es 12,4% oder 10,2 Millionen Menschen. Unter 75% des Durchschnittseinkommens liegen mit ihren Einkünften mehr als ein Drittel der Bevölkerung.

In DM gerechnet ergeben sich folgende Werte: die untersten 10% der Einkommensskala erreichten 1998 ein reales Nettoäquivalenzeinkommen pro Haushalt von 1.170 DM. Seit 1973 ist dieses Einkommen nur um 20% gestiegen, also im Durchschnitt nicht einmal um 1% pro Jahr, während das Durchschnittseinkommen aller Einkommensbezieher in den 25 Jahren um 38% real gewachsen ist (Regierungsbericht, S. 26).

Wie auch immer gerechnet wird, lässt sich zweierlei festhalten:

1. Eine erschreckend große Minderheit von rund acht Millionen Menschen lebt in Deutschland in Armut

2. Trotz aller staatlichen Hilfsmaßnahmen wächst der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung

Der größte Teil der Armen bleibt nicht dauerhaft arm. 16-18% leben langfristig unter der Armutsgrenze, wie Hanesch/Krause/Bäcker für den Zeitraum von 1985 bis 1997 ermittelt haben (S. 106). 20 bis 22% waren mittelfristig und 61,6 bis 62,2% kurzfristig arm. Diese hohe Mobilität kann nur wenig beruhigen. Sie bedeutet einmal, dass sehr viel mehr Menschen als die genannten 9,1% der Bevölkerung Armut kennen lernen. 25,6% waren es in den Jahren 1985 bis 1991 und 21,1 % in den Jahren 1991 bis 1997. Außerdem gerieten viele nicht nur einmal, sondern in den genannten Zeiträumen mehrfach in Armut. Zwischen 1991 und 1997 mussten 8,2 % der Bevölkerung 2 bis 7 mal Armutszeiten durchleben. Schließlich führt das Herauskommen aus der Armutszone in der Regel zu keiner bedeutenden Verbesserung des Einkommens. Die meisten erreichten die Zone von 50-75% des Durchschnittseinkommens. Über 50% derer, die damit auskommen müssen, kommen über die 75%-Grenze nicht hinaus, verbleiben also im Bereich der Niedrigeinkommen.

Bestimmte gesellschaftliche Gruppen sind von der Armut besonders betroffen.

1. Kinder

Besonders dramatisch ist die Lage der Kinder. Im Regierungsbericht werden 1,1 Millionen angegeben, die von Sozialhilfe leben müssen. Noch deutlicher hat der "Sozialbericht 2000", von der Arbeiterwohlfahrt im Oktober 2000 veröffentlicht, die Armut der Kinder offengelegt: "Etwa 2 Millionen Kinder und Jugendliche kommen morgens oft ohne Frühstück in den Kindergarten bzw. in die Schule, sind wegen Fehl- und Mangelernährung häufig krank, können nicht an Ausflügen und Klassenfahrten teilnehmen und haben deutlich eingeschränkte Berufschancen", so heißt es da.

Von der "Nationalen Armutskonferenz" ist zu erfahren, dass die Kinderarmut weiter zunimmt, auch unter der rot-grünen Koalition (Frankfurter Rundschau, 27.6.2001).

Es ist schwer zu glauben, dass in diesem Deutschland, das als eines der reichsten Länder der Welt gilt, 15% der Kinder in Armut aufwachsen. Das ist um so problematischer, als dies in den meisten Fällen miserable Bildungschancen und damit geringe Aussichten auf angemessene Lebensverhältnisse im Erwachsenenalter bedeutet. Das zeigen folgende Zahlen: In dem armen Teil der Bevölkerung sind 1998 die Kinder, die das Abitur ablegten bzw. einen Hochschulabschluss erwerben konnten, weit unterdurchschnittlich vertreten, nämlich mit unter 2% (bei 14,1% bzw. 7,5% Anteil an der gesamten Bevölkerung). Auch diejenigen, die eine Lehre oder irgendeine Berufsausbildung absolviert haben, erreichen einen geringeren Anteil, mit 7,3% und 3,4% (bei 41% bzw. 17,3% Anteil an der gesamten Bevölkerung) (siehe Anhang 3).

Auch die deutlich häufiger auftretenden Krankheiten verschlechtern künftige Lebenschancen. Zudem wirkt sich die Einbindung in ein defektes soziales Umfeld beeinträchtigend auf die weitere Entwicklung aus. Aus der Wittekind-Siedlung, einem sozialen Brennpunkt der Stadt Hamm, wird etwa berichtet, dass Kinder und Erwachsene sich kaum aus den eng zusammenstehenden Wohnblöcken heraustrauen, dass Kinder bis zu drei Jahren praktisch nur in den Wohnungen aufwachsen. Wenn sie überhaupt die Chance erhalten, in einer Kindertagesstätte aufgenommen zu werden, sind sie bereits unterernährt, kleiner gewachsen als andere, verhaltensgestört und haben ein mangelndes Selbstbewusstsein. Später sind sie in den Schulen vielen Diskriminierungen ausgesetzt. Älter geworden, haben dann viele "keinen Bock mehr auf Schule" (Publik-Forum vom 3. 11. 2000).

Kinder sind zum Armutsrisiko geworden. Je mehr Kinder in einer Familie leben, desto größer ist die Gefahr, in Armut zu geraten. Das gilt nicht für alle Familien, aber für die unteren Einkommensschichten allemal.

Auch innerhalb der Kinderarmut gibt es Unterschiede. Besonders prekär ist die Lage der "Straßenkinder", die fast nur vom Betteln, Stehlen und von Prostitution leben, die das Leben ohne Drogen nicht ertragen können und denen solidarische Leben verloren gehen. Die Anzahl der Straßenkinder in Deutschland wird vom Regierungsbericht auf 7000 geschätzt. Sie dürfte nach anderen Schätzungen um einiges höher liegen.

2. Frauen

Schlechter als dem Durchschnitt der Armen geht es vor allem alleinerziehenden Frauen mit mehreren Kindern. Wie sollten auch Mütter genügend Einkommen erzielen, wenn die Kinder womöglich nicht einmal in einer Kindertagesstätte unterzubringen sind, weil es sie in der Nähe nicht gibt oder die Gebühren nicht bezahlt werden können? Haben diese Frauen dann auch noch einen Niedriglohn-Job, ist ihre ökonomische Situation äußerst angespannt. Werden sie oder ihre Kinder krank, entstehen schier unlösbare Probleme. In der Regel haben sie kaum eine Chance, aus dieser Not herauszukommen.

1998 gab es einen Anteil von 3,5% "Einelternhaushalten" an der Gesamtzahl der Haushalte. Sie machen jedoch rund 30% der Armen aus. Es sind zu einem sehr hohen Prozentsatz (1996 86,4%) alleinerziehende Frauen, die mit ihren Kindern diesem Elend ausgesetzt sind (siehe hierzu und zu Folgendem: Gisela Notz, Was Frauen arm macht, in: O. Kaltmeier, M. Ramminger (Hrsg.), Links von Nord und Süd, Münster, Hamburg, London, 1999). Frauen verdienen im Durchschnitt immer noch 30% weniger als die Männer. Die 8,5 Millionen Singles unter den Frauen erhielten nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom März 2001 durchschnittlich nur 82 % des "ausgabefähigen Einkommens" von Männern (aus Frankfurter Rundschau vom 7. März 2001). 1996 verdienten 37,5% der vollbeschäftigten Frauen weniger als 1.800 DM netto pro Monat. Von den Männern waren es nur l0,8%. 53% aller erwerbstätigen Frauen verdienten unter 1.800 DM, von allen Frauen überhaupt waren es 73%. Von den so genannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (1996 6,4 Millionen) entfielen 68% auf Frauen. Existenzsichernd sind diese nicht, allenfalls als Zuverdienst hinreichend. Besonders schlecht sind Frauen der unteren Einkommensklassen in Familien mit Kindern gestellt. Sie verrichten die unbezahlte Hausarbeit und verdienen gar nichts oder wenig, so dass sie finanziell vom Mann abhängig sind. Fällt dieser ganz oder teilweise aus (Invalidität, Erwerbslosigkeit, Trennung, Tod), droht den Frauen mit ihren Kindern schnell die Armut.

Wenn die Gruppe der Frauen 1998 auch prozentual kaum mehr Arme aufwies als die der Männer (9,1% der Frauen gegenüber 9,0% der Männer verfügten über 50% des Durchschnittseinkommens, Hanesch u.a., S, 81), so ist doch ihr Armutsrisiko aus den genannten Gründen höher.

29% der Frauen (1998 6,6 Millionen) hatten überhaupt kein Einkommen (Notz, S.3 und 5).

Die Diskriminierung der Frauen beginnt früh. Zwei Drittel aller Jugendlichen, die 1996 keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, waren Mädchen. Und die Benachteiligung endet im Alter nicht: Weil die Frauen oft überhaupt nicht versichert sind oder wegen ihrer geringen Verdienste sehr niedrig, haben sie häufig auch nur kleine Renten zu erwarten.

3. Ausländer

Ausländerfamilien, die 1998 6,3% von der Gesamtbevölkerung ausmachten, waren doppelt so stark vertreten wie der Durchschnitt aller Armen: mit 18,6% gegenüber 9,1 %. Unter den "Gastarbeitern" mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland und ihren Kindern ist die Zahl der Jugendlichen ohne Lehrstelle oder Arbeitsplatz trotz deutscher Schulabschlüsse besonders hoch. Hier hat die alltägliche Ausländerfeindlichkeit unmittelbare materielle Folgen und verursacht den Einstieg in eine Spirale von Armut und Ausgrenzung.

Besonders betroffen von Armut sind die in den letzten beiden Jahrzehnten zugewanderten Menschen. Die Aussiedler und deren Kinder haben unter den Bedingungen der Massenarbeitslosigkeit erhebliche Probleme, wirtschaftlich und sozial Fuß zu fassen. Flüchtlinge, die häufig jahrelang auf eine endgültige Entscheidung über ihr Bleiberecht warten müssen oder gar nur geduldet sind, dürfen nicht arbeiten; ihre materiellen Lebensumstände sind ausdrücklich als Abschreckung gedacht. Das Asylbewerberleistungsgesetz definiert in skandalöser Weise einen Status unterhalb des offiziellen Armutsniveaus, wie es durch das Sozialhilfegesetz festgelegt ist. Mit der Einführung von Lebensmittelgutscheinen und der Residenzpflicht wurde den Flüchtlingen zusätzlich besondere Schikanen auferlegt. Um die Situation dieses Personenkreises zu verbessern, muß man beim Ausländerrecht bzw. beim jetzt diskutierten Einwanderungsgesetz ansetzen. Das gleiche gilt für die stetig zunehmende Gruppe der "Illegalen", die ihren Lebensunterhalt mit informellen Tätigkeiten verdienen. Ein Arbeitsmarkt ist für diese Gruppe ohne Zweifel vorhanden, aber ihr prekärer Aufenthaltsstatus verhindert sowohl die Selbstorganisation als auch staatliche Eingriffe zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen.

 

4. Erwerbslose

Erwerbslose geraten insbesondere dann, wenn sie länger erwerbslos sind - was bei einem wachsenden Teil der Erwerbslosen der Fall ist - immer mehr in Lebensumstände, die durch Armut gekennzeichnet sind. Die wachsende Erwerbslosigkeit ist inzwischen zum wichtigsten Auslöser von Armut geworden. Die registrierte Erwerbslosigkeit betrug in Westdeutschland 1980 nur 889.000 Personen; bis 1999 stieg sie auf 2.756.000 Personen, d.h. um 210%. Nimmt man Ostdeutschland hinzu, so wuchs die Zahl von 1991 bis 1999 von 2,6 auf 4,1 Millionen, d.h. um 58% innerhalb von 8 Jahren. Es ist allgemein bekannt, dass die Zahl der tatsächlichen Erwerbslosen wesentlich höher liegt, weil viele, hauptsächlich Frauen, sich nicht als erwerbslos melden und daher in der "stillen Reserve" versteckt sind. Zählt man die offiziell als erwerbslos Gemeldeten, die verdeckt Erwerbslosen und die in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vorübergehend Befindlichen zusammen, so ergibt sich die enorme Anzahl von 7,5 Millionen, die keine oder keine reguläre Arbeit haben und deswegen in Armut geraten sind oder arm zu werden drohen. Das gilt vor allem für die Langzeiterwerbslosen, die von 455.000 im Jahre 1991 auf 1,4 Millionen Personen im Jahr 1999 zugenommen haben. (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum 2000, S. 258 f).

28,5% der Erwerbslosen liegen mit ihren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze (Regierungsbericht, S. 156). Fast die Hälfte kann nur noch über ein Einkommen unterhalb von 60% des Durchschnittseinkommens verfügen. So lange sie noch Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhalten und früher lange und gut verdient haben, ist die Einkommenslage noch erträglich. Nach 32 Monaten ist das spätestens zu Ende. Langzeiterwerbslose fallen bald auf das Sozialhilfeniveau zurück.

5. Armut bei Erwerbstätigkeit

Nach einer weit verbreiteten Vorstellung brauchen Arme nur eine Erwerbsarbeit, um aus ihrer Not herauszukommen. Dass Menschen arm sein können, obwohl sie arbeiten und dafür entlohnt werden, ist noch kaum ins allgemeine Bewusstsein gedrungen. Auch die Wissenschaft kümmert sich erst seit einigen Jahren um diesen Tatbestand. Man hörte allenfalls aus den USA oder aus Großbritannien von den "working poor". Aber auch in Deutschland erhalten nicht wenige Erwerbstätige Einkommen, die sie unter die Armutsschwelle bringen. Das verdeutlicht die Tabelle in Anhang 4.

Es zeigt sich, dass der Anteil der armen Erwerbstätigenhaushalte an der Gesamtzahl der Erwerbstätigenhaushalte in den alten Bundesländern mit 8,4 % im Jahre 1998 niedriger liegt als der Anteil der Armen allgemein. In den neuen Bundesländern ist der Prozentsatz mit 3,2% um einiges geringer. Dem Statistischen Taschenbuch des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung sind folgende Zahlen zu entnehmen. Ergebnisse des Mikrozensus ergaben für den April 1998, dass von den 33.926.000 Erwerbstätigen 6,6% unter 600 DM im Monat verdienten, 8,7% 600 bis 1.000 DM und 16,9% 1.000 bis 1.800 DM. Die staatliche Unterstützung ändert daran übrigens nicht viel. 1997 lagen 9,7% der Erwerbstätigenhaushalten der alten Bundesländer unter der Armutsgrenze. Nach der staatlichen Umverteilung waren es immerhin noch 8,3% (Hanesch/Krause/Bäcker, S. 204).

Der Regierungsbericht gibt für 1998 in Gesamtdeutschland 7,6% an. Diese Zahl liegt unter der allgemeinen Armutsquote. Daraus aber zu schließen, dass "die Erwerbstätigen nicht zu den Problemgruppen der Armut" gehören, wie es der Regierungsbericht tut (S.154), ist verfehlt. 7,6%, das sind nicht weniger als 3,3 Millionen Menschen.

6. Behinderte Menschen

Arme behinderte Menschen sind im Schnitt nicht einkommensärmer als die anderen Armen. Berücksichtigt man allerdings, dass Behinderte mehr Geld aufbringen müssen als andere, um ihr Leben zu gestalten, und dass diese Mehrkosten nur teilweise durch öffentliche Zuschüsse ersetzt werden, so betrug die Zahl derer, die in Armut leben, 1998 schon 15,3%. Mit Niedrigeinkommen, also bis 75% vom Durchschnittseinkommen, müssen 40,3% der Behinderten auskommen (Hanesch/Krause/Bäcker, S. 376).

7. Wohnungslose Menschen

Von den Wohnungslosen weiß man wenig. Sie werden nicht registriert. Kaum einer kümmert sich darum, wie sie sich durchs Leben schlagen. Sie wohnen nirgends, leben meistens im Freien und finden nur gelegentlich eine Notunterkunft, wo sie eventuell auch etwas Warmes zu essen bekommen. Sie gehören zu den Ärmsten der Armen.

8. Alte Menschen

Die Armutsquote der alten Menschen lag 1998 bei 4,8% für die 61 – 75-Jährigen und bei den noch Älteren bei 3,8% (Hanesch/Krause/Bäcker, S.81). Das ist um einiges weniger als der Durchschnitt (9,1%). Die geringere Zahl kann aber nicht beruhigen; denn Arme werden nicht so alt, und oft wirkt sich das armselige Einkommen bei den Menschen, die sich schlechter zu helfen wissen, besonders schlimm aus. Verschiedenen Tageszeitungen organisieren regelmäßig vor Weihnachten eine Spendenaktion für arme Menschen. Die Einzelschicksale, von denen dort berichtet wird, sind bedrückend.

Sozialhilfe

"Die Sozialhilfe bekämpft Armut, sie schafft sie nicht. Wer die ihm zustehenden Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, ist nicht mehr arm", so erklärte 1995 die damalige Bundesregierung der christlich-liberalen Koalition (Bundestagsdrucksache 13/3339 1995, S.2). So wird man die Probleme am einfachsten los. Man definiert sie weg. Nach den Berechnungen von Hanesch/Krause/Bäcker (Anhang 5) liegen die Sozialhilfesätze, von den seltenen Einmalleistungen abgesehen, direkt an der Armutsgrenze oder darunter. Lediglich Alleinstehende mit und ohne Kinder erhalten etwas mehr.

Es handelt sich um Durchschnittswerte. Die Sozialhilfe wird nach Lage der Betroffenen unterschiedlich berechnet. Einige Anteile wie das Wohngeld müssen eigens beantragt werden, was für die Empfänger eine zusätzliche Demütigung bedeutet. Bei der Lagebeurteilung wird bisher auch das Einkommen der Eltern bzw. der Kinder eingerechnet, die zu Unerhaltszahlungen herangezogen werden. Diese Inanspruchnahme ist in vielen Fällen so konfliktträchtig und erniedrigend, dass viele, die auf Sozialhilfe Anspruch haben, sie gar nicht beantragen. Die letzten Berechnungen von Fachleuten ergaben, dass mehr als die Hälfte (1998 54,1%) ihre Ansprüche auf Sozialhilfe nicht geltend gemacht haben. Nur 45,9% der Einkommensarmen, das sind 3,1 Millionen Menschen, haben Sozialhilfe bezogen (Hanesch u.a., S. 144). In den Jahren 1999 und 2000 ging die Zahl leicht, d.h. auf unter 3 Millionen, zurück (Frankfurter Rundschau vom 27.10.2000). Nach dem Regierungsbericht hat sich die Zahl der Bezieher in den alten Bundesländern seit 1973 vervierfacht und in den neuen Ländern seit 1991 verdoppelt.(S. XXII)

Armutskreisläufe

Verwahrlosung droht, wenn besondere Ereignisse in die materiell bedingten Armutskonstellationen eingreifen und nach unten gerichtete Armutskreisläufe auslösen. Die Sozialhilfestatistik weist als Hauptursachen für den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt Erwerbslosigkeit und Ehescheidung aus. Diese beiden Ursachen führen in der Regel zur Überschuldung, da die fälligen Ratenzahlungen und Mieten nicht mehr beglichen werden können. Die Folge ist Armut und drohende Obdachlosigkeit. Dem Verlust der äußeren Sicherheit der Lebensbedingungen - wenn auch auf niedrigem Niveau - erfolgt im allgemeinen der Verlust der inneren Sicherheit der Familien und der Persönlichkeiten, verbunden mit Erziehungs- und Suchtproblemen sowie Gewaltsituationen.

Kinder und Jugendliche sind von diesen Armutsspiralen besonders betroffen. Oft werden sie in diese Situation hineingeboren, ohne Hoffnung auf Ausstieg. Die Ergebnisse der Bildungsforschung zeigen, dass für diese Kinder die Benachteiligung größtenteils festgeschrieben ist. Die Bildungsreform der siebziger Jahre hat zwar durchaus mehr Durchlässigkeit im dreigliedrigen Schulsystem eingebracht. Gesamtschulen wurden eingerichtet, der Anteil der Frauen und der Arbeiterkinder in den Hochschulen erhöhte sich. Seit Beginn der achtziger Jahre hat sich mit der Krise des Sozialstaates die Situation jedoch wieder verschlechtert. Nach den Zahlen des Mikrozensus 1998 besuchten von den 13- bis 14-jährigen Arbeiterkindern 58% die Hauptschule, 26% die Realschule und nur 11 % das Gymnasium. Von den Beamtenkindern des gleichen Jahrgangs besuchten 13% die Hauptschule, 24% die Realschule und 58% das Gymnasium.

Für die in Armutskreisläufen befindlichen Kinder (vergleiche die Studie der Arbeiterwohlfahrt zur Kinderarmut) sind die Bildungschancen noch ungünstiger. Eine Untersuchung der Stadt Essen über den Zusammenhang von sozialer Lage und Anmeldung zu weiterführenden Schulen weist für das Westviertel bei einem Prozentsatz von 47,4% anspruchsberechtigter Hilfeempfängern unter 18 Jahren einen Gymnasialzugang von 7% aus (Klaus Klemm). Die Aussage bestätigt die alle Hamburger Schülerinnen und Schüler erfassende Untersuchung zur Lernausgangslage nach der Grundschule, die unter anderem bestehende Unterschiede zwischen den Stadtregionen Hamburgs auf der Basis der Postleitzahlbezirke untersuchte. Die zentrale Frage lautete: "Welcher Zusammenhang besteht zwischen ausserschulischen Faktoren wie dem allgemeinen Lernpotential, dem Sozialstatus, der Muttersprache oder dem Geschlecht und den erhobenen Aspekten der Lernausgangslage?" Die Hauptaussage der Studie: Bedeutsam sind vor allem die soziokulturellen Merkmale des Bildungsstandes der Eltern (Buchbestand, Bildungsabschluss) und der Ausländeranteil. Im Ergebnis sind die "soziale Landkarte" und die "Bildungslandkarte" Hamburgs weitgehend identisch.

Alarmierend ist, dass das Bildungssystem die Startchancen kaum verändert und sich die Lage für die "Kellerkinder des Bildungssystems" bei der Zuweisung von Lebenschancen verschlechtert hat. Die Privatisierung von Schulen, in Ansätzen schon vorhanden, würde das noch weiter verschärfen.

Der Mikrozensus 1998 vergleicht die Lage mit dem Jahr 1991. Die wichtigste Gruppe im Armutszusammenhang ist die Gruppe der jungen Menschen ohne Berufsausbildung zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr, das sind mit 1,5 Millionen rund 15 % des Jahrganges. 1991 waren es noch rund 11 %. In dieser Gruppe befinden sich 10,5% deutsche und 39,6 % ausländische Ausbildungslose. Diese jungen Menschen haben keine Hoffnung auf die Zukunft und kein Vertrauen in die Demokratie.

Besondere Beachtung kommt auch der Gruppe von Schülerinnen und Schülern zu, welche die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Studien belegen auch hier die Korrelation mit der sozialen Lage der Familien, insbesondere ihrer Nationalität. 16,3% aller Schulabgänger ausländischer Herkunft haben 1998 keinen Hauptschulabschluss im Vergleich zu 7,7% bei den deutschen Schulabgängern. Die Benachteiligung setzt sich im Arbeitsleben fort. Die Erwerbslosenquote der Erwerbsbevölkerung ohne Schulabschluss beträgt 26,9 %, der Erwerbsbevölkerung mit Fachhochschulabschluss 3%.

Auch die Einkommenssituation wird maßgeblich von der Ausbildung bestimmt. Setzt man das Erwerbseinkommen ungelernter Erwerbstätiger mit 100 an, dann beträgt das Erwerbseinkommen derjenigen mit einem Berufsabschluss im Dualen System 123, der Erwerbstätigen mit Fachhochschulabschluss 162, mit Hochschulabschluss 215. Dabei investiert die Gesellschaft in eine Ausbildungsbiographie Grundschule-Hauptschule-Duale Ausbildung 51.000 DM, in die Ausbildungsbiographie Grundschule-Gymnasium -Studium an der Universität 149.000 DM. Die Privilegierten werden politisch nochmals privilegiert.

So bildet sich im Widerspruch zum Werterahmen des Grundgesetzes eine Unterschicht, für welche die Systemfrage lautet: Gehöre ich dazu oder gehöre ich nicht dazu? Die Antwort auf diese Frage birgt soziale Sprengkraft.

Reichtum für eine Minderheit

Über den Reichtum in Deutschland weiß man viel weniger als über die Armut. So fällt auch der Bericht der Regierung in diesem Teil eher spärlich aus, spärlicher als es sein müsste. Die für den Bericht von Dieter Eißel und Ulrich Huster angefertigte Expertise wird nur wenig und die Zahlen der Bundesbank werden gar nicht verwertet. Besonders fällt auf, dass nichts zu den steuerlichen Begünstigungen ausgeführt wird, von denen seit langem Einkommen und Vermögen der Reichen profitieren und die erheblich zur sozialen Ungleichheit beitragen.

1. Einkommen aus Erwerbstätigkeit

Bei 200 % des Durchschnittseinkommens setzen viele Fachleute die Schwelle zum Reichtum an. 1995 – aus diesem Jahr stammen laut Regierungsbericht die letzten Zahlen –ergaben diese 200% ein Jahresbruttoeinkommen von 134.000 DM und ein Nettoeinkommen von 85.000 DM. Rund 2 Millionen Menschen konnten darüber verfügen. Allerdings geben diese Zahlen die Realität nur unvollständig wieder. Monatliche Einkommen von über 35.000 DM werden bemerkenswerter Weise von der zugrundeliegenden Stichprobe gar nicht erfasst.

Legt man die Einkommensteuerstatistik zugrunde, gab es auf das Jahr bezogen 27.230 Einkommensmillionäre, allerdings brutto gerechnet. Im Durchschnitt betrug ihr Jahreseinkommen 2,7 Millionen DM. Berücksichtigt man alle Steuern und Abgaben, sinkt die Zahl auf 12.707 (Regierungsbericht, S.36). Auch diese Zahlen fallen viel zu niedrig aus. Gerade den Beziehern von hohen Einkommen stehen viele Möglichkeiten offen (Abschreibungen, Verlustzuweisungen etc.), ihr steuerpflichtiges Einkommen herunterzudrücken, so dass sie in der Einkommensteuerstatistik nicht mehr als Einkommensmillionäre erscheinen.

Obwohl die erfassten Einkommen viel zu niedrig liegen, kommt der Regierungsbericht zu der Schlussfolgerung, dass "die Ungleichheit der Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Westdeutschland 1973 bis 1998 tendenziell gestiegen (ist).Unter Einbezug der Haushaltsebene ergab sich eine relativ deutliche Zunahme der Ungleichheit..., die vorwiegend den unteren Einkommensbereich betraf. Als Folge der höheren Erwerbslosigkeit fiel die Ungleichheit in Ostdeutschland nach der Vereinigung höher aus. Bei der Betrachtung der Nettoeinkommen war eine im Zeitverlauf nachlassende Umverteilung zugunsten des unteren Einkommensbereiches festzustellen." (S. 42).

Hanesch/Krause/Bäcker haben ausgerechnet, dass 1998 die unteren 5% der Einkommensskala über 1,9% der gesamten Einkommen in Deutschland verfügen können, die oberen 5% dagegen über 12,5%, also über das 6,6-fache (Anhang 6).

Armut und Reichtum wachsen. Die soziale Spaltung vergrößert sich. Die staatliche Umverteilung zugunsten der Armen nimmt ab. Ein deprimierendes Ergebnis der "sozialen Marktwirtschaft".

2.Vermögen

Nicht nur die Einkommen, sondern auch die Vermögen tragen zum Wohlstand der Reichen bei. Nehmen wir etwa den Erwerb von Wertpapieren (festverzinsliche Wertpapiere, Aktien, Investmentzertifikate): 1989 machte er bei Inländern 146,3 Mrd. DM aus. Im Jahr 1999 hatte er sich fast verfünffacht und betrug 712 Mrd. DM. Der überwiegende Teil davon entfällt auf die Reichen. Die unteren Einkommensschichten können sich Wertpapierkäufe nur sehr begrenzt leisten. Der Bestand an Nettogeldvermögen erhöhte sich allein im Jahre 1998 um 250 Milliarden DM. Das gesamte Nettogeldvermögen addierte sich 1998 in Deutschland zu einer Gesamtsumme von 5,3 Billionen DM auf und dürfte Ende 2000 an die 6- Billionengrenze herangekommen sein.

Zählt man das Eigentum an Immobilien und langlebigen Gebrauchsgütern hinzu, so wird 1999 nach Schätzung der Deutschen Bundesbank nach Abzug aller Schulden ein gesamtes Nettovermögen von 14,7 Billionen DM erreicht (Monatsbericht Juni 2000). 1990 waren das erst 8,4 Billionen DM. In 9 Jahren stieg also das Nettovermögen um 75%.

Der Regierungsbericht ignoriert diese Zahlen. Er setzt das gesamte Privatvermögen wesentlich niedriger an, in dem er wichtige Teile herausrechnet und das Immobilienvermögen zu niedrig einstuft. Die Definition des Privatvermögens lautet folgendermaßen: "Das Privatvermögen im engeren Sinne, d.h. das Kapitalerträge bringende und vererbbare Vermögen privater Haushalte, steht vielfach im Vordergrund des Interesses. Vermögensgleiche Ansprüche an die betriebliche Altersversorgung und an die staatliche soziale Sicherung (Sozialvermögen), langlebige Konsumgüter (Gebrauchsvermögen), Betriebsvermögen und Humankapital (die meist Grundlage für Arbeitseinkommen sind) sowie Bargeld und Guthaben auf Girokonten(die vor allem der kurzfristigen Kassenhaltung dienen) sind darin grundsätzlich nicht enthalten: Diese Abgrenzung des Privatvermögens erlaubt zwar keine umfassenden Aussagen über die Vermögensverteilung im weitesten Sinne, ist aber sachgerecht und zweckmäßig für die wichtige Frage nach dem angesparten und geerbten Geld- und Sachvermögen, das für die individuelle Vorsorge und Absicherung des Lebensstandards in den Wechselfällen des Lebens und im Alter zur Verfügung steht"(S. 44). Es leuchtet überhaupt nicht ein, Ansprüche an die betriebliche und staatliche Altersversorgung wegzulassen, die ja die wichtigste Basis "für die individuelle Vorsorge und Absicherung des Lebensstandards... im Alter" darstellen, die Lebensversicherungen dagegen einzubeziehen. Vollkommen unsinnig ist es, "langlebige Konsumgüter" wie Schmuck, Autos, Antiquitäten, Yachten und Privatflugzeuge, also gerade die sichtbarsten Insignien des Reichtums, nicht mitzuzählen. Ebenso ist unverständlich, weshalb das "Betriebsvermögen" unberücksichtigt bleibt, aus dem ja nicht nur die Erträge stammen für die "individuelle Vorsorge und Absicherung des Lebensstandards", sondern das eine Hauptquelle zu weiteren Vermehrung der privaten Vermögen darstellt. An anderer Stelle (S. 60), aber nicht in die Rechnung einbezogen, wird für die Personenunternehmen ein "Produktivvermögen" von 1,9 Billionen DM, Eigen- und Fremdkapital umfassend, bzw. von 1,0 Billionen DM (nur Eigenkapital) angegeben. Bargeld und Giroguthaben nicht einzubeziehen, mag noch am ehesten einleuchten. Aber nicht alles dient der "kurzfristigen Kassenhaltung". Immerhin erreicht der Bargeldumlauf im März 2001 234 Milliarden DM und der täglich fällige Bestand an Einlagen bei den Banken 851 Milliarden DM (Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Mai 2001, S. 11*). Von diesen Beständen dürfte sich ein nicht unerheblicher Teil als dauerhaft erweisen.

So kleingerechnet ergibt sich ein Privatvermögen von insgesamt 8,2 Billionen DM im Jahr 1998. Die von der Bundesbank registrierte Zahl für dieses Jahr beträgt 14,0 Billionen DM, liegt also um 71% höher. Allein für die Immobilien stellt die Bundesbank einen Gesamtwert von 7,3 Billionen DM fest. Bedenkt man die geringe Differenz zum Gesamtvermögen des Regierungsberichts(0,9 Billionen), dann lässt das auch auf viel zu niedrige Wertansätze für die Immobilien im Regierungsbericht schließen. Offensichtlich sind dort keine Marktwerte verwandt worden.

Die Verteilung dieses Reichtums ist äußerst ungleich. Die vermögendsten 10% der Haushalte in Westdeutschland verfügten nach dem Regierungsbericht 1998 über 42% des Privatvermögens, während den unteren 50% nur 4,5% gehörten. In Ostdeutschland sind die Unterschiede noch gravierender(S.XVII). Das heißt aber auch, dass sich die Kleinrechnung des Privatvermögens in erster Linie als eine künstliche Verminderung des Reichtums der oberen 10% auswirkt, der Abstand zwischen den unteren und den oberen 10% also in Wirklichkeit noch viel größer ist. Trotz dieser Einschränkung ist er immer noch immens. Die unteren 20 % sind durchschnittlich mit 4.000 DM verschuldet, während die oberen 20% über ein Nettovermögen von durchschnittlich 804.000 DM pro Haushalt verfügen (Regierungsbericht, S.45). Noch krasser fallen die Unterschiede zwischen den unteren und den oberen 10% aus. Ein durchschnittliches Minus von 10.500 DM pro Haushalt steht einem Durchschnittsvermögen von 1,1 Millionen DM gegenüber (Regierungsbericht, S.55). 1,5 Millionen Vermögensmillionäre gab es 1998, etwa das 6-fache der Zahl von 1978 (ebenda S. 64). Bei kompletter Vermögensrechnung wären es noch mehr. Andererseits war 1998 eine Million wegen der Inflation nicht mehr so viel wert wie 1978. Doch auch in diesen Zahlen wird das enorme Wachstum des Reichtums der oberen Schicht deutlich.

Schulden bringen Arme in hoffnungslose Situationen, weil sie kaum eine Chance haben, sie wieder loszuwerden, ja weitere Verschuldung droht. Der Regierungsbericht redet von 2,8 Millionen Fällen, in denen die Betroffenen zahlungsunfähig, also überschuldet sind (S.69). Ändert sich das nicht grundlegend, dann wird der Unterschied zwischen arm und reich immer noch größer. Die Einkommen aus den Vermögen erlauben eine weitere Anhäufung von Vermögen. Das Vermögenseinkommen erreichte 1998 302 Milliarden DM (Regierungsbericht, S.53) Die Vermögenswerte steigen bei kluger Anlage langfristig. Deshalb ist die Schlussfolgerung des Regierungsberichtes, wonach "die Ungleichheit der Vermögen... dank staatlicher Förderung im Trend abgenommen hat", in dieser Allgemeinheit falsch. Sie mag für die Relation der mittleren zu den hohen Vermögenslagen stimmen, auch wenn statt der zu niedrig angesetzten Zahlen die tatsächlichen Werte verwandt würden. Für die Relation zwischen Armen und Reichen, auf die es hier in erster Linie ankommt, gilt sie auf keinen Fall. Genau das Gegenteil ist richtig.

Steuerpolitik für die Reichen

Weder die Steuer- noch die Sozialpolitik, auch nicht die zaghaften Ansätze einer Vermögenspolitik (Volksaktie, steuerbegünstigtes Sparen) haben in den letzten Jahrzehnten die wachsende soziale Kluft überbrücken können. Im Gegenteil: die Steuerpolitik begünstigte eindeutig die weitere Anhäufung des Reichtums einer Minderheit. Das geschah bislang vor allem auf folgende Weise:

- Abschaffung der Börsenumsatzsteuer

- Niedrigwerte bei der Bemessung der Vermögen für die Vermögensteuer

- Abschaffung der Vermögensteuer

- Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer

- Senkung der Spitzensteuersätze für hohe Einkommen

- Senkung der Sätze für die Körperschaftsteuer

- Steuerfreiheit für Spekulationsgewinne mit Wertpapieren, die nach zwölf Monaten Besitz wieder verkauft werden

- eine große Zahl von Möglichkeiten, etwa durch Sonderabschreibungen, das zu versteuernde Einkommen bzw. den zu versteuernden Gewinn herunter zu setzen

- legale Steuerflucht in Länder, in denen niedrigere Steuern zu zahlen sind als in Deutschland

- keine nachdrückliche Verfolgung von Steuerhinterziehung

Die bisher von der rot-grünen Regierung verabschiedete und in zwei Paketen zusammengeschnürte Steuerreform verschärft diese unsoziale Steuerpolitik noch. Zwar werden alle Einkommensgruppen steuerlich entlastet. Der Spitzensteuersatz sinkt von ursprünglich 53% 1999 auf 42% vom Jahre 2005 an. Ebenfalls um fast 11 Prozentpunkte sinkt auch der sogenannte Eingangssteuersatz, also der niedrigste Steuersatz für geringe Einkommen. Er fällt von 25,9% auf 15%. Was vordergründig wie eine Gleichbehandlung aussieht, entpuppt sich jedoch schnell als Ungleichheit großen Ausmaßes: Haushalte mit einem Ehepaar und zwei Kindern sparen pro Jahr 1.200 DM, wenn sie ein Einkommen bis zu 30.000 DM erhalten (Anhang 6). Alleinstehende mit einem Kind sparen 600 DM bei einem Jahreseinkommen bis zu 20.000 DM. Bei einem Einkommen bis zu 30.000 DM erhöht sich die Ersparnis auf 1.547 DM (Anhang 7). Reiche mit einem Jahreseinkommen von 500.000 DM werden dagegen um 41.144 DM entlastet (Vorwärts vom September 2000). Sie profitieren nicht nur von der Senkung des Spitzensteuersatzes, sondern ebenso von der schrittweisen Anhebung des steuerfreien Existenzminimums und von der Senkung des Eingangssteuersatzes. Einkommensmillionäre werden 108.264 DM einsparen. Es wird eingewandt, dass gleichzeitig die Möglichkeiten eingeschränkt werden, durch vielerlei Maßnahmen das steuerpflichtige Einkommen zu senken. Das gilt aber hauptsächlich für Personenunternehmen, die Einkommensteuer zu zahlen haben. Es bleiben für die Bezieher hoher Einkommen genügend Möglichkeiten, Steuern zu vermeiden. Man rechnet bei der Einkommensteuer mit einer enorm hohen Mindereinnahme von 51,9 Milliarden DM im Jahre 2005 aufgrund der steuerlichen Entlastungen, die zum großen Teil den Reichen zugute kommen. Außerdem werden besonders die Teilhaber der großen Kapitalgesellschaften davon profitieren, dass der Körperschaftsteuersatz, der auf ihre Gewinne erhoben wird, auf ein sehr niedriges Niveau heruntergesetzt wird. Bislang mussten 30% für einbehaltene und 40% für ausgeschüttete Gewinne entrichtet werden. Nun wird der Steuersatz einheitlich auf nur noch 25% abgesenkt. Einschließlich der Gewerbesteuer ergibt sich dann ein Steuersatz auf Gewinne von 38%. Das waren in früheren Zeiten einmal über 70%.

Besonders reichtumsfördernd wirkt sich auch die unzureichende Besteuerung von Spekulationsgewinnen auf dem Aktienmarkt aus. In den vergangenen Jahren konnte man in kurzer Zeit sein Aktienvermögen durch Kurssteigerungen verdoppeln oder gar verdreifachen. Lag der Verkauf der Aktien früher ein halbes Jahr nach dem Ankauf, so mussten die entstandenen Gewinne überhaupt nicht versteuert werden. Heute hat man diese Frist auf ein Jahr heraufgesetzt. Weiterhin ist also von einem zusätzlichen Einkommen aus Aktiengewinnen nach dieser Frist kein Pfennig Steuern zu zahlen, obwohl diese Gewinne arbeitslose Einkommen darstellen und die finanzielle Leistungsfähigkeit erhöhen. Gewinne, die innerhalb der Spekulationsfrist erzielt werden, sind darüber hinaus neuerdings nur zur Hälfte zu versteuern.

Abzulehnen ist auch die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne auf den Verkauf von Anteilen zwischen Kapitalgesellschaften, zumal dieses Privileg den Inhabern von Personalgesellschaften nicht in diesem Umfang gewährt wird.

Immer wichtiger für die Entstehung von Reichtum wird die Vererbung von Vermögen. Was in der Nachkriegszeit über die vielen Jahre angesammelt wurde, wird jetzt an Ehepartner und Kinder weitergegeben. Zwar wurde 1997 die Erbschaftsteuer erhöht (l % ab 500.000 DM; 9% ab 1 Million, 17% ab 5 Millionen, 18% ab l0 Millionen), aber zugleich die Freibeträge enorm heraufgesetzt. Für den erbenden Ehegatten sind 600.000 DM steuerfrei, bei Kindern sind es immerhin 400.000 DM. Immobilien werden jetzt bei der Berechnung der Steuer zwar höher bewertet als früher. Die zugrundegelegten Werte machen aber immer noch weniger als den tatsächlichen Wert aus, nämlich je nach Mieteinnahmen 50 bis 73% des auf dem Markt erzielbaren Preises. Die Vererbung von Immobilienbesitz wird so gegenüber der Vererbung von Geldanlagen bevorzugt. Wegen der Erhöhung der Freibeträge und der Unterbewertung des Immobilienvermögens ist daher das Aufkommen der Erbschaftsteuer seit einigen Jahren rückläufig, obwohl die vererbten Vermögen jährlich zunehmen. Derzeit werden etwa 300 Milliarden DM jährlich an Vermögenswerten vererbt.

Die Börsenumsatzsteuer wurde 1991 abgeschafft. Diese Ungleichbehandlung des Umsatzes von Waren und Dienstleistungen auf der einen Seite (diese werden mit der Mehrwertsteuer belegt) und Kapital auf der anderen Seite ist nicht zu rechtfertigen, zumal diejenigen, die auf den Finanzmärkten agieren, in der Regel über eine überdurchschnittliche steuerliche Leistungsfähigkeit verfügen.

Das sind nur die wichtigsten Privilegien der Reichen und des in ihren Händen befindlichen Kapitals.

Das deutsche Steuersystem hat zu einer Steuerverteilung geführt, die vom Maßstab sozialer Gerechtigkeit her nur noch absurd genannt werden kann. Die Lohnsteuer trägt einen wesentlich höheren Teil der Staatsfinanzen als alle Unternehmenssteuern, die Kapitalertragsteuern und die veranlagte Einkommensteuer zusammen. "Noch zu Beginn der achtziger Jahre lag der Anteil der Gewinnsteuern von dem Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen bei 37%. Gegenwärtig beträgt die Steuerquote durchschnittlich nur noch 20%. Manche Unternehmen zahlen keine oder kaum noch Steuern, nicht nur, weil sie Gewinne meist völlig legal z.B. an die Muttergesellschaften oder an üppig ausgestattete Finanzierungsgesellschaften bzw. Briefkastenfirmen in den rund 37 Steueroasen auf dieser Welt verlagern", so D. Eißel und U.Huster in ihrer Expertise für den Regierungsbericht (S. 71 f.). Der Umfang der veranlagten Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ist in den letzten Jahren wieder angestiegen, erreicht aber zusammen mit der Gewerbesteuer und den Kapitalertragsteuern 1999 immer noch nicht mehr als 19,1% des gesamten Steueraufkommens, während die Lohnsteuer mit 31%, die Umsatzsteuer mit 32,6% beteiligt sind. Berücksichtigt man, dass die Umsatzsteuer, alle speziellen Verbrauchsteuern, die Versicherungsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die Ökosteuer von allen getragen werden, also auch von den Beziehern niedriger Einkommen, dann stellt sich heraus, dass die Lohnabhängigen und die Erwerbslosen den bei weitem größten Teil des Steueraufkommens aufzubringen haben (siehe die Grafik in Anhang 9). Diese soziale Schieflage wird durch die Steuerreformen der rot-grünen Koalition weiter verschärft.

III.Kapitel :Politik gegen die Armut

Eine systematische und konsequente Politik gegen die Armut fehlt bisher. Die Bundesregierung behauptet allerdings in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht das Gegenteil. Sie habe seit 1998 "erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Armutsrisiken zu minimieren und die soziale Ausgrenzung zu verhindern" (S.XXXV). Sogar die Steuerpolitik wird zu "einem wichtigen Beitrag zum Abbau der Ungleichheit" umdefiniert, wo sie doch genau das Gegenteil bewirkt. Auf anderen Feldern kommt die bisherige Politik über Ansätze kaum hinaus oder vernachlässigt sogar wichtige Teilbereiche. Nach wie vor setzt sie auf eine Wachstumspolitik, von der sie sich einen deutlichen Abbau der Erwerbslosigkeit und zusätzliche Steuereinnahmen verspricht. Damit setzt sie eine Politik fort, die nachweislich gescheitert ist. Die steigende Armut und die wachsende soziale Ungleichheit verlangen nach einer anderen Politik, die den differenzierten Armutserscheinungen angemessen ist. Sie muss die menschenwürdige materielle Existenz der Menschen sichern, die bisher unter der Armutsgrenze leben, die notwendige Infrastruktur in den Sozialräumen der Regionen aufbauen, den effizienten Einsatz der staatlichen Mittel garantieren und zusätzliche finanzielle Mittel bereitstellen, die vor allem durch Heranziehen des finanzstarken Teils der Bevölkerung aufgebracht werden.

Wir beschränken uns in diesem Memorandum auf eine Reihe von dringenden Maßnahmen und ihre Finanzierung durch eine veränderte Steuerpolitik und müssen anderes späteren Memoranden überlassen.

1. Materielle Existenzsicherung

1.1 Grundeinkommen

Langfristig muss mit einer weiteren Abnahme der verfügbaren Erwerbsarbeit, mit einem sich weiter vermindernden Arbeitsvolumen gerechnet werden. Der Rationalisierungsprozess ist noch lange nicht an sein Ende gekommen und hat längst den Dienstleistungsbereich erreicht, auf den beschäftigungspolitisch so viel Hoffnung gesetzt wurde. Die strukturelle Erwerbslosigkeit wird also weiter steigen. Jede noch so effiziente Arbeitspolitik wird Erwerbslosigkeit und Armut von Beschäftigten nicht vollständig ausgleichen können. Auch deshalb sollten diejenigen, die keine Erwerbsarbeit beanspruchen, nicht als Faulenzer diffamiert werden. Hinzu kommen alle diejenigen, die nicht oder nur teilweise arbeitsfähig sind, Kranke, Behinderte, Kinder und alte Menschen. Diesen sollte ein Grundeinkommen gesichert werden, das sie nicht in Armut bringt, sondern eine menschenwürdige Existenz ermöglicht. Einkommen, die dann noch zusätzlich durch Erwerbsarbeit erzielt werden, dürften das Grundeinkommen nicht mindern. Was bisher an Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe geleistet wird, kann dann wegfallen, womit eine Teilfinanzierung des Grundeinkommens schon gesichert wäre. Das Grundeinkommen würde existenzsichernd sein, um zu verhindern, das GrundsicherungsempfängerInnen in prekäre und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse gedrängt werden. Zu verbinden wäre auch die Forderung nach Grundsicherung mit Schritten radikaler Arbeitszeitverkürzung. Ziel muß sein, allen, die bezahlte Erwerbsarbeit wollen, auch solche anzubieten. Gesellschaftlich notwendige Arbeit (auch unbezahlt geleistete) muß auf mehr Menschen beiderlei Geschlechts umverteilt werden. Die volle Finanzierung kann nur durch nicht unbeträchtliche zusätzliche Staatseinnahmen gewährleistet werden. Dazu machen wir im Abschnitt 4 einen Vorschlag.

In der Zeit bis zur Einführung eines Grundeinkommens werden die bisherigen Hilfen weiterbestehen müssen. Da aber die Sozialhilfe unter der Armutsgrenze oder doch nur knapp darüber liegt, bedarf sie dringend einer Erhöhung. Denn häufig wird die Heraufsetzung des Kindergeldes, wie wir sie vorschlagen, Niedrigeinkommen nicht über die Armutsgrenze anheben. Wir schlagen vor, die Sozialhilfesätze so weit zu erhöhen, dass ein Niveau von 75% des Durchschnittseinkommens erreicht wird. 25-30 Milliarden DM wird dies pro Jahr kosten. Außerdem muss die Sozialhilfe unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern bzw. der Kinder gewährt werden. Dieser "Rückgriff" wird im Rahmen der Rentenreform für alte Menschen abgeschafft. Das muss für die Sozialhilfe generell geschehen. Schließlich sollten die Sozialämter angewiesen werden, alle für die Sozialhilfe Anspruchsberechtigten aufzufordern, ihre Rechte wahrzunehmen. Auf diese Weise könnte viel versteckte Armut beseitigt werden.

  1. Aktive Arbeitspolitik gegen die Armut

´Für die richtige Perspektive halten wir, a) neue, zukunftsfähiger Arbeitsfelder zu erschließen, b) die Entwicklung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes für notwendige, nur bedingt marktfähige Projekte im Rahmen nachhaltiger Entwicklung, c) die Umverteilung der Erwerbsarbeit sowie d) die Verbindung von Lernen und Arbeiten. Uns geht es vor allem darum, die Frage zu beantworten, welche arbeits- und sozialpolitischen Maßnahmen geeignet sind, Personengruppen mit Einkommen im erweiterten Armutsbereich aus ihrer Unterversorgung herauszuführen. Besonderes Augenmerk verdienen die Jugendlichen ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung, die keinen Zugang zu existenzsichernder Arbeit gefunden haben, ebenso alleinerziehende Mütter, die oft wegen fehlender Betreuung ihrer Kinder oder fehlendem Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen keine Beschäftigung finden und deshalb voll auf die Sozialhilfe angewiesen sind, oder die Kleinverdienerfamilien mit mehreren Kindern, die Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe haben.

Für diese Gruppen ist zeitnahe Hilfe dringend erforderlich, da ihre soziale Lage in der Gefahr ist, sich auf die Dauer zu verfestigen. Misserfolge beim Versuch, existenzsichernde Arbeit zu finden, unterhöhlen die personalen und sozialen Kompetenzen. Sie werden verlernt und müssen in einem aufwendigen Wiedereingliederungsprozeß reaktiviert werden. Da hilft auch eine qualifizierte Auswegberatung, selbst bei Zusammenarbeit der beteiligten Ämter wie dem Arbeitsamt, dem Jugendamt und dem Sozialamt, wenig, wenn die angebotene Arbeit nicht existenzsichernd, unterhalb des erworbenen Qualifizierungsniveaus ist und vielleicht unterhalb des Sozialhilfesatzes liegt.

Hauptursache für diese Situation ist eine Fehlsteuerung an der Sozialhilfeschwelle. Da die Sozialhilfe keine nennenswerte Einkommenszuwächse erlaubt, weil sie oberhalb der Sozialhilfe zu fast identischen Kürzungen führen, ergibt sich beispielsweise für einen verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern, der wegen niedrigen Einkommens auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen ist, dass er netto nicht mehr hat, ob er nun 1.200 oder 2.700 im Monat nach Hause bringt.

Ziel muss es sein, einfache Tätigkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv zu machen, ohne das bestehende Tarifgefüge in Richtung eines Niedriglohnsektors zu verändern. Der Ansatzpunkt für eine Veränderung sollte die Höhe der Sozialabgaben sein. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Teilzeitarbeit: liegt der Verdienst nur eine Mark über dem Grenzwert von 630 DM, schlagen die Sozialabgaben in voller Höhe auf das Nettoeinkommen durch. Erst wenn ein Mechanismus gefunden ist, der den gleitenden Übergang in sozialversicherungspflichtige Teilzeitstellen vorsieht, werden solche Stellen nachgefragt und geschaffen werden. Deshalb sollte die Unterstützung von Geringverdienern an der Schwelle zur Sozialhilfe durch Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen und durch einen Zuschlag zum Kindergeld allgemein eingeführt werden, wie sie zur Zeit in Rheinland-Pfalz als Modellversuch praktiziert wird (Frankfurter Rundschau vom 3.5.2001). Dort werden Kleinverdienerhaushalte bis zu einem Bruttoeinkommen von 3.417 DM im Monat bei den Sozialabgaben entlastet. Bei Alleinstehenden ohne Kinder liegt die Einkommensgrenze bei 1.742 DM; den Kindergeldzuschlag von 150 DM pro Kind erhalten Kleinverdienerfamilien und Alleinerziehende bei angepassten Einkommensgrenzen. Durch die höheren Nettoeinkommen überschreitet eine Familie mit zwei Kindern die Sozialhilfeschwelle bereits bei einem Bruttoerwerbseinkommen von 2.000 DM. Bisher war dazu ein Bruttoerwerbseinkommen von 2.700 DM erforderlich. Da die Entlohnung in die tariflichen ortsüblichen Bedingungen eingepasst ist, wird kein zusätzlicher Niedriglohnsektor geschaffen.

Wichtig ist, dass die Zuschüsse bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sofort wirksam werden. Die Finanzierungsfähigkeit durch den Staat ist durch die Beschränkung auf die Gruppe der Kleinverdiener und dort im Besonderen auf die Familien mit Kindern und Alleinerziehenden leichter zu gewährleisten als bei anderen Modellen. Es ist zu erwarten, dass die neuen Beschäftigungsverhältnisse vor allem aus der Geringfügigkeit, aus der Schattenwirtschaft und bei bisher unbesetzten Arbeitsplätzen entstehen. Der Vorschlag verträgt sich durchaus mit anderen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik und ist bei prekären Armutslagen besonders wirksam.

Das JUMP-Programm zum Abbau der Jugenderwerbslosigkeit könnte bei einer Verlängerung noch wirksamer die Zahl der erwerbslosen Jugendlichen verringern. Immerhin haben die bisher aufgewendeten 3,9 Milliarden DM dazu beigetragen, dass die Jugenderwerbslosigkeit von 11,8% im Jahre 1998 auf 9,5% im Jahre 2000 abgenommen hat. Auch wenn das der niedrigste Stand seit 1992 ist, muss hier jedoch noch entschieden mehr getan werden.

1.3. Familienförderung

An aller erster Stelle sollte die Erhöhung des Kindergeldes für die Armen bzw. die Bezieher niedriger Einkommen stehen. Die SPD-Politikerin Renate Schmidt, der Vorsitzende des Kinderschutzbundes und die Arbeiterwohlfahrt haben bereits eine Erhöhung des Kindergeldes auf 600 DM im Monat gefordert. Das wäre mehr als eine Verdoppelung. Die Grünen wollen die armen Kinder mit zusätzlichen 200 DM/Monat versorgen. Die bereits in der SPD diskutierte und von Bundesfinanzminister Hans Eichel angedeutete schrittweise Steigerung des Kindergeldes auf 400 DM bis zum Jahre 2006 reicht auf keinen Fall aus. Jeder kann sich leicht ausrechnen, dass damit ein erträglicher Lebensunterhalt für ein Kind nicht gesichert werden kann.

Die jetzt beschlossene und für 2002 vorgesehene Steigerung um 30 DM für die ersten beiden Kinder würde nach einer Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Struck 5,7 Mrd. DM im Jahr kosten (Frankfurter Rundschau vom 27.11.2000). Würde man das Kindergeld um 330 auf 600 DM pro Kind erhöhen, käme man auf 62,7 Mrd. DM, die das den Staat kosten würde. Das ist sehr viel. Aber warum müssen denn die höheren Einkommen genau so behandelt werden wie die niedrigen? Würde man zusätzliches Kindergeld mindestens vorerst auf die Armen und die niedrigen Einkommen beschränken und von 300 bis 1.000 DM pro Kind je nach Einkommen staffeln, so würde das erheblich weniger kosten als eine allgemeine Erhöhung. Nehmen wir an, 5 Millionen Kinder könnten davon Nutzen haben und erhielten im Durchschnitt 200 DM im Monat mehr, so wurde das rund 12 Mrd. DM im Jahr zusätzlich ausmachen. Sollte die Steigerung des Kindergeldes für die unteren Einkommensschichten juristische Schwierigkeiten bereiten, weil ein Bundesverfassungsgerichts-Urteil angeblich dagegen steht, dann ließe sich die zusätzliche Leistung als besonderen Zuschuss für sozial schwache Familien deklarieren oder als "Grundsicherung für Kinder" einführen, wie es die Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestages, Ekin Deligöz, vorgeschlagen hat. Auf die Dauer sollte man die Förderung der Kinder ganz auf das Kindergeld umstellen und die Kinderfreibeträge bei der Steuer abschaffen, die den hohen Einkommen wesentlich mehr eintragen als den niedrigen und den Sozialhilfeempfängern gar nichts. Auch dann wäre eine soziale Staffelung, d.h. ein mit höherem Einkommen verringertes Kindergeld die sinnvollste Lösung. Man könnte dann bei den niedrigsten Einkommen mit 1.000 DM im Monat pro Kind beginnen und bis zu einem Einkommen von 200% des Durchschnittseinkommens auf 0 heruntergehen. Die vorgeschlagenen Mehreinnahmen des Staates und die Einsparungen bei Wegfall der Kinderfreibeträge ermöglichen das auf jeden Fall.

.1.4. Maßnahmen gegen die Altersarmut

Ebenfalls gründlich und schnell muss alten Menschen geholfen werden. Viele Alte, vor allem Frauen, leben allein, vereinsamt und mit bisher sehr kleinen Renten. Mehr ambulante Hilfe und vor allem eine die Armut verhindernde Mindestrente sind dringend gefordert. Im Rahmen der "Rentenreform" wird jetzt endlich eine Grundrente für alte Menschen eingeführt, die 15% über der Sozialhilfe liegt, also knapp über der Armutsgrenze. Das ist zwar immer noch zu wenig, aber schon für viele, die bisher von Hungerrenten leben mussten, eine Verbesserung. Parallel dazu wurde allerdings eine sozial ungerechte Neuerung eingeführt. Die hochgepriesene "kapitalgedeckte Rente" kommt nur für den infrage, der sparen kann. Für den ist im unteren Einkommensbereich eine beachtliche staatliche Förderung vorgesehen. Die höheren Einkommen profitieren wieder in der bekannten Weise von der Möglichkeit, die gesparten Beträge von der Steuer abzusetzen. Arme, insbesondere Frauen, die niedrige oder gar keine Einkommen haben, können weder Beträge sparen noch private Versicherungen abschließen. Sie werden also auch in Zukunft von Altersarmut betroffen sein. Zu fordern ist eine Einkommensunabhängige Mindestrente für alle RentnerInnen, unabhängig von den gezahlten Versicherungsbeiträgen und unabhängig von der gewählten Lebensform in Höhe von mindestens 1.800,- DM. Solche Mindestrenten gibt es in der Schweiz, in Holland oder Dänemark.

 

1.5. Insolvenzrecht

Richtig, aber immer noch unzureichend sind die von der rot-grünen Koalition eingeführten Verbesserungen des Insolvenzrechtes (siehe Frankfurter Rundschau vom 27. Juni 2001). Der Schuldenabbau bei den Armen gehört zum Wichtigsten. Man bietet jetzt den Schuldnern an, die Kosten des Entschuldungsverfahrens, die in die Tausende gehen, staatlicherseits vorzustrecken. Sie müssen später aber zurückgezahlt werden. So lange das stattfindet, müssen sich die Betroffenen mit einem Existenzminimum zufrieden geben. Man kann gehörige Zweifel haben, ob das wirklich zum Erfolg führt. Warum übernimmt der Staat nicht die Verfahrenskosten wie beim Armenrecht in Gerichtsprozessen? Außerdem sollte es für besondere Fälle, für Alleinerziehende mit Kindern etwa, eine staatliche Begleichung der Schulden geben.

2. Politik der sozialen Unterstützung für Arme

Es ist eine zynische gesellschaftliche Fehlorientierung, wenn der neoliberale Mainstream unter den Leitbegriff der individuellen Freiheit die Konkurrenz der "Abeitskraftunternehmer" und die Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel zum Imperativ der "new economy" und des gesellschaftlichen Zusammenlebens erhebt. In diesem Kontext wird Chancengleichheit als rechtliche Gleichheit im Zugang zur Legitimationsformel des "aktivierenden Sozialstaates", wie er die Programmdebatte der SPD bestimmt, für eine die Schwachen ausgrenzende Konkurrenz der Starken. Für eine Politik der Armutsbekämpfung ist es erforderlich, Solidarität und Gerechtigkeit als Leitbegriffe zu bestimmen, an denen Politik zu messen ist. Chancengleichheit kann unter diesen beiden Aspekten nur entfaltet werden, wenn die Gesellschaft die im Wettbewerb Benachteiligten unterstützt und die dafür erforderliche Infrastruktur bereitstellt, finanziert und die Beteiligung der Betroffenen als autonome Persönlichkeiten in die inhaltliche Bestimmung der Formen und Qualitäten anstrebt.

Insofern umfasst eine Politik gegen die Armut neben der unverzichtbaren Existenzsicherung durch die Verbesserung der Einkommen die gesellschaftliche Solidarität von Institutionen und Initiativen, die den Betroffenen nahe sind und deren Mitbestimmung fördern.

2.1 Armutsbekämpfung in sozialen Räumen

Die Bundesregierung hat mit ihrem Programm "Soziale Stadt" die Tür zur sozialräumlichen Betrachtung besonderer Problemlagen aufgestoßen. Das Programm beabsichtigt, städtebauliche Entwicklungen in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf einzuleiten, welche die Gestaltung des sozialen und ökologischen Umfeldes dieser Stadtteile in den Mittelpunkt stellen. Neben der Verbesserung der Wohnverhältnisse geht es um den Ausbau der Infrastruktur durch Stadtteilzentren, Kindertagesstätten, Ganztagsbetreuung in Schulen, Spielplätze, Jugendeinrichtungen, wirtschaftliche Tätigkeiten, die den Potentialen des Stadtteils angemessen sind, menschengerechte Verkehrgestaltung und präventive Sicherheitsprojekte. Die Ausstattung des Programms mit 300 Millionen DM pro Jahr bis 2003 reicht bei weitem nicht aus. Auch die Mittel für gemeinwesenorientierte Sozialarbeit sind mit 15 Millionen DM im Jahr viel zu knapp bemessen. Aber das Programm kann einen sozialpolitischen Perspektivwechsel einleiten, der sich übrigens mit Intentionen von Programmen der Europäischen Union wie dem Projekt URBAN ergänzt. Auch das "gender-mainstreaming" als quer zu den Fachzuständigkeiten integrierte Gleichstellungsinitiativen der Geschlechter zu initiieren, stützt diesen Perspektivwechsel. Es geht nicht mehr um klientelgebundene zentrale Förderprogramme und bürokratieträchtige Umsetzung, sondern um die Bereitstellung von Mitteln, um sozialen Bedarf im kommunalen oder regionalen Umfeld unter Beteiligung aller Akteure zu definieren und zu befriedigen.

Der Bundes- und der Landesebene obliegen die gesetzliche Rahmensetzung, durch die eine gleichwertige Angebote die soziale Versorgung der Bevölkerung erreicht werden soll, sowie die finanzielle Ausstattung mit Mitteln, die grundsätzlich komplementär angesetzt werden sollen. Die Steuerung erfolgt in einem partizipativen Prozess auf regionaler Ebene.

Dabei können soziale Räume je nach Sicherstellungsbereich enger oder weiter definiert werden.

Instrumente der Steuerung sind eine integrierte soziale Bedarfsplanung unter Beteiligung sozialer Akteure, Zielvereinbarungen zur Umsetzung und Qualitätssicherung und Berichtswesen zur Evaluierung der beschlossenen Projekte. Es bleibt die staatliche Verantwortung für die Sicherstellung der Dienstleistungen zur Bedarfsdeckung, aber die Bereitstellung der Dienstleistung sollte gesellschaftlich geregelt werden. Dabei ist der jeweilige regional organisierte öffentlich geförderte Arbeitsmarkt mit einzubeziehen. Besondere Bedeutung kommt einer beratenden und unterstützenden kommunalen Infrastruktur für besondere Problemlagen zu.

Das gilt für die notwendige Entwicklung einer Dienstleistungsstruktur für alte Menschen genau so wie für familienergänzende Formen der Unterstützung im Erziehungs- und Bildungsbereich und vor allem für die Durchsetzung des Präventionsprinzips für unterschiedliche Gefährdungslagen.

Für den Bereich der Unterstützung alter Menschen als einer Gruppe, deren Gefährdung neben der Altersarmut vor allem in der Vereinsamung und der fehlenden gesellschaftlichen Hilfe bei zunehmender Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit liegt, ist eine Altenhilfeplanung von besonderer Bedeutung. Es geht dabei um den Aufbau einer integrierten Hilfestruktur, die den Menschen als Ganzes im Blick hat und die Fehler der Pflegeversicherung vermeidet, den alten Menschen als Addition von zunehmenden Defiziten, die spezifische Verrichtungen auslösen, die von der Bürokratie der Pflegekassen genehmigt und kontrolliert werden, zu verstehen. Nur so kann auch die oft nicht auf das Wohlergehen des ganzen Menschen ausgerichtete Versorgung in den Altersheimen verbessert werden. Zu betonen ist, dass die Pflegekräfte und Heimleitungen am meisten unter den strukturbestimmenden Gesetzesvorgaben leiden und ihre Arbeitsstellen wegen der unbefriedigenden Arbeitsbedingungen häufig nach nur wenigen Jahren aufgeben.

2.2 Bildung und Betreuung

Gesellschaftliche Förderstrukturen sind besonders im Bildungs- und Erziehungsbereich erforderlich. Von diesen hängt es ab, ob für Kinder Armutskreisläufe durchbrochen werden können. Das soziokulturelle Umfeld ist für die Entwicklung der Lernpotentiale aller Kinder entscheidend. Sozialräumlich ist deshalb eine familienergänzende Förderstruktur notwendig, die auf ganztägige Betreuungsangebote für Kindergärten und Schulen ausgerichtet sein muss.

Die Analysen der Bildungsforschung und der Lernpsychologie deuten daraufhin, dass die Förderung am Anfang der Bildungsbiografie im Vorschul- und Schulbereich die höchste, Nachteile ausgleichende Wirkung erzielen kann, die besonders der Integration von Kindern ausländischer Herkunft hilft. Außerdem wissen wir aus der Arbeitsmarktforschung, dass fehlende Betreuung der Kinder das schwerwiegendste Zugangshindernis für Frauen zum Arbeitsmarkt darstellt. Dem Anspruch der Förderung aller Lernpotentiale wird am ehsten die Gesamtschule gerecht, da hier der größte Raum zur Bildung adäquater Lerngruppen besteht. Das traditionelle dreigliedrige Schulsystem in der Sekundarstufe I ist zu unflexibel und schafft Bildungssackgassen vor allem für benachteiligte Schülerinnen und Schüler.

Die Förderung muss subsidiär getragen und durch Bündelung von Finanzströmen aus dem Bildungs- und Sozialsystem finanziert werden. Diese politische Intervention ist auch deswegen unverzichtbar, weil die notwendige materielle Besserstellung der Familien in Armutskonstellationen zunächst den Nachholbedarf an notwendigen Konsumgütern decken wird und Ersparnisse für die Bildungskosten nicht zur Verfügung stehen. Unverzichtbarer Auftrag des Staates ist es, die für die Bildung erforderlichen Mittel bereitzustellen. Die wesentlich bessere Ausstattung der defizitären Bereiche des Bildungswesens ist die wichtigste Investition in eine zukunftsfähige und gerechte Gesellschaft.

3. Effizienz und Zielgenauigkeit einer Politik gegen die Armut

Eine Politik gegen die Armut bedeutet mehr politische Verantwortung des Staates für Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt. Da ein ärmerer Staat dieser Verantwortung nicht gerecht werden kann, ist die Forderung nach mehr Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums Kernbestandteil dieses Memorandums. Damit verbunden ist für diejenigen, die dies fordern, die Verpflichtung, sich für den effizienten Einsatz gesellschaftlicher Ressourcen einzusetzen und gesetzliche Regelungen und Organisationsstrukturen, die diesem Ziel entgegenstehen, infrage zu stellen. Dabei ist es wichtig, dem betriebswirtschaftlichen, die Institutionen des Sozialstaates als Betrieb definierenden Konkurrenzdenken gesellschaftliche Effizienzüberlegungen entgegenzustellen. Im Bereich der Politik gegen Armut bewegen wir uns in einem gesellschaftlichen Non-Profit-System, für das die Konkurrenzkriterien des Marktes nicht zum Maßstab erhoben werden dürfen und in dem Privatisierung um jeden Preis nicht legitim ist. Wichtig und unverzichtbar sind hingegen die Fragen nach gesamtgesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Effizienz

Was kostet ein nicht in die Gesellschaft integrierter Schulabbrecher?

Was kosten die Gesellschaft nicht entwickelte und nicht eingesetzte Lern- und Ar- beitspotentiale?

- Was kostet es die Gesellschaft, wenn die allgemeinbildende Schule fast 20% ihrer Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss in die Arbeitswelt entlässt und Milliarden für ausbildungsbegleitende Hilfen aufbringt, die als Förderung während der Schulzeit zur Berufsfähigkeit viel effizienter hätten eingesetzt werden können?

- -Was kostet es die Gesellschaft, wenn durch Stress und Überforderung hohe Krankenstände oder durch mit Schadstoffen belastete Arbeitsprozesse überdurchschnittliche vorzeitige Erwerbsunfähigkeit ausgelöst wird?

- Was kostet es die öffentlichen Haushalte, wenn vom Bundesverfassungsgericht vernünftige Fördersätze wie sozial gestaffelte Hilfen für Familien oder besondere Problemlagen wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufgehoben werden?

Anders als bei marktwirtschaftlicher Steuerung nach betriebswirtschaftlichen Konkurrenzkriterien müssen gesellschaftliche Effizienzfragen von den politischen Entscheidungsträgern selbst beantwortet werden. Es ist ein politischer Kraftakt nötig, für sozialstaatliche Aufgaben die regionale Ebene zur entscheidenden operativen Basis zu machen. Dazu muss vor allem die zentrale Entscheidung über die Verwendung der Mittel durch ein Verfahren ersetzt werden, das den Regionen die Bewältigung sozialstaatlicher Unterstützungsaufgaben erforderlichen Mittel als Budget zuweist, die zweckgerichtete Verwendung aber Entscheidungsträgern vor Ort überträgt. Die Verwendung der Mittel kann durch Aufbau eines unbürokratischen Berichtswesens sachgerecht und qualitätsbezogen evaluiert werden.

Die Entscheidungen vor Ort sind an einen auf Kooperation der entsprechenden Akteure, die sich an runden Tischen auf bestimmte Vorhaben und die arbeitsteilige Finanzierung einigen müssen, gebunden. Der Gesetzgeber kann in Rahmengesetzen sowohl die qualitativen Ziele als auch die entsprechenden Verfahren beschließen, die soziale Gerechtigkeit vor Ort unter Beteiligung der Betroffenen sicherstellen sollen. Die Verfahrensregeln auf der EU-Ebene geben dazu produktive Anregungen.

Von konservativer Seite ist seit Jahren immer neu zu hören, dass wir uns heute einen so teuren Sozialstaat nicht mehr leisten könnten. Ein Land mit einer so hochentwickelten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die zu den höchsten der Welt gehört, kann jedoch für sein soziales System mehr und nicht weniger als früher aufbringen. Sonst käme man zu der grotesken Schlussfolgerung, dass bei geringerer ökonomischer Effizienz mehr Abgabenbelastungen möglich sind als bei höherer. Unsere Vorschläge können daher aus der laufenden Wertschöpfung finanziert werden. Deutschland kann die für eine konsequente Bekämpfung der Armut notwendigen Mittel ohne weiteres aufbringen. Der Spardoktrin, so wie sie die rot-grüne Regierung handhabt und von der Vorgängerregierung übernommen hat, muss entschieden widersprochen werden.

Dass derzeit öffentliche Ausgaben auch und vor allem im sozialen Bereich gekürzt werden,

liegt daran, dass sich der Staat durch fortgesetzte Steuersenkungsprogramme und eine forcierte Politik des Schuldenabbaus zunehmend selbst seiner Handlungsspielräume beraubt. Bei sinkenden Einnahmen aufgrund von massiven Steuersenkungen müssen zwingend Ausgaben eingeschränkt werden, wenn die Neuverschuldung nicht weiter erhöht oder wie derzeit anvisiert mittelfristig sogar auf Null gedrückt werden soll. Wir teilen die Einschätzung der Regierung, dass langfristig eine Haushaltkonsolidierung anzustreben ist; zwar nicht mit der Begründung, wie sie von der Regierung vorgebracht wird, dass Staatsschulden eine unzumutbare Belastung für die nächsten Generationen darstellen. Die nächste Generation erbt ja nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch die privaten Forderungen und die Folgen unterlassener Sozialpolitik, so dass Zinsverpflichtungen des Staates gleichzeitig Zinseinnahmen der kommenden Generation werden. Außerdem übernimmt diese auch die mit den Krediten finanzierten Infrastrukturinvestitionen. Die Staatsverschuldung wird allerdings dann problematisch, wenn die Steuerlasten wie in Deutschland höchst ungleich verteilt sind, was wir oben dargestellt haben. Denn die Zinsen bezahlen alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, während die Zinseinnahmen nur den Inhabern der ausgegebenen Staatspapiere zufließen. Die Staatsverschuldung bewirkt also eine weitere Verteilung von unten nach oben und ist daher als eine Haupteinnahmequelle des Staates auch aus Verteilungsgründen ungeeignet. Dem Zwang zu unsozialer Ausgabeneinschränkung kann jedoch entgangen werden, wenn auf weitere Steuersenkungen verzichtet und Steuerquellen (wieder) erschlossen werden. Die von uns im Folgenden vorgeschlagenen zusätzlichen Steuereinnahmen stellen eine langfristige Finanzierung der von uns skizzierten Programme sicher, beachten das Prinzip der Leistungsfähigkeit und haben teilweise auch noch wünschenswerte Lenkungseffekte.

Wir plädieren zunächst dafür, die massive Senkung des Spitzensteuersatzes für private Einkommen rückgängig zu machen. Gleichzeitig müssen weitere Steuerschlupflöcher gestopft werden. Ein beträchtlicher Teil der 75 Steuervergünstigungen, die einst unter dem Finanzminister Lafontaine zusammen gestellt und mindestens als korrekturbedürftig angesehen worden waren (Frankfurter Rundschau vom 4.11.1998; Anhang 9), ist nicht gestrichen oder abgeschwächt worden. Auf das Jahr 2002 gerechnet waren sie auf 44 Milliarden DM kalkuliert worden. Die kompensatorisch gemeinten Steuermehreinnahmen bei der Steuerreform erreichen nach Angaben des Finanzministeriums jedoch nur 32 Milliarden (Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, August 2000, S. 57 ), so dass noch eine Reihe von Privilegien bei der Besteuerung von Einkommen und Gewinnen abgebaut werden müssen..

Darüber hinaus schlagen wir folgende Einzelmaßnahmen vor (Details werden im Anhang 10 ausgeführt):

1. An erster Stelle muss eine konsequente Bekämpfung der Steuerhinterziehung stehen. Das erfordert vor allem eine beträchtliche Erhöhung der Betriebsprüfungen durch die Finanzämter. Außerdem wären viel höhere Strafen angebracht, um noch deutlicher zu machen, dass Steuerhinterziehung ein krimineller Akt ist. Mehreinnahmen von 85 Milliarden DM können bei entsprechenden Bemühungen erzielt werden.

2. Die Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer von 1% erbrächte 22 Milliarden DM.

3. Eine Steuer von 1% auf alle Devisenumsätze würde Deutschland 44 Milliarden DM zusätzliche Staatseinnahmen eintragen.

4. Fiele das Ehegattensplitting, das eindeutig die Familien mit Kindern benachteiligt, ersatzlos weg, ergäben sich Mehreinnahmen in Höhe von mindestens 30 Milliarden DM.

5. Alle Kursgewinne mit Wertpapieren, nicht nur die innerhalb eines Jahres, müssen nach Abzug der Verluste in die Einkommensteuer einbezogen werden, zumal es sich um arbeitslose Einkommen handelt. Der Staat könnte damit mindestens 10 Milliarden DM zusätzlich einnehmen.

6. Würde man die Körperschaftsteuer von jetzt 25% auf 30% erhöhen, entstünden Mehreinnahmen von 9 Milliarden DM.

7. Eine Erhöhung der Erbschaftsteuer sollte dem Staat zusätzliche Einkünfte von 20 Milliarden DM einbringen.

Rechnen wir zusammen: Die sieben Vorschläge bedeuten steuerliche Mehreinnahmen von jährlich 220 Milliarden DM

8. Die Vermögen sind seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten vor allem auch durch Steuervergünstigungen und Subventionen enorm gewachsen. Deswegen ist ein Ausgleich gerechtfertigt. Eine Vermögensabgabe von 3 %, die 10 Jahre lang bei hohen Freibeträgen zu leisten wäre, könnte der Reduzierung der Staatsschulden dienen und durch die Verminderung von Tilgungs- und Zinsleistungen den Ausgabenspielraum der Staatbudgets um 68 Milliarden DM pro Jahr erhöhen. Zusammen mit einer Vermögensteuer, die nach 10 Jahren die Vermögensabgabe abzulösen hätte und bei einem Steuersatz von 1,4 % und hohen Freibeträgen 43 Milliarden DM/Jahr erreichen könnte, kämen mehr als 100 Milliarden jährlich zusammen. Spätestens dann müsste an die Einführung eines existenzsichernden Grundeinkommens gedacht werden.

9. Die erneute Einführung einer Steuer auf Gewinne beim Verkauf von Unternehmensanteilen würde die Staatseinnahmen weiter steigern.

10. Schließlich muss die Steuerflucht konsequent eingeschränkt werden. Drei Maßnahmen könnten Erhebliches bewirken:

a) Die Steuerpflicht für persönliche Einkommen muss an die Staatangehörigkeit und nicht an den Wohnsitz geknüpft werden.

b) Durch zwischenstaatliche Kontrollmitteilungen muss sichergestellt werden, dass die Zinseinkünfte aus Kapitalanlagen im Ausland in Deutschland versteuert werden.

c) Schließlich sollen die Unternehmen mit allen ausländischen Tochtergesellschaften an ihrem Firmensitz in Deutschland nach den hier gültigen Steuersätzen versteuert werden.

Auch die Eindämmung der Steuerflucht trägt nicht unerheblich zur Steigerung der Staatseinnahmen bei. Realistische Schätzungen sind leider nicht möglich. Wir gehen aber davon aus, dass sie das von uns anvisierte zusätzliche Steueraufkommen von 220 Milliarden DM entscheidend sichern und ergänzen können.

Die von uns vorgeschlagenen Programme und ihre Finanzierung tragen zunächst unmittelbar zu einer Verringerung der bestehenden Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen und Vermögen bei. Dies ist nicht nur aus verteilungspolitischen und sozialen Gründen wünschenswert. Die Umverteilung von hohen Einkommen mit niedrigen Konsumquoten hin zu niedrigen Einkommen mit hohen Konsumquoten erhöht den privaten Konsum und kann damit kurzfristig konjunkturelle und langfristig Wachstumsimpulse geben. Dass der von liberalen Ökonomen gern propagierte Zusammenhang zwischen Umverteilung und Wachstum bzw. Beschäftigung empirisch nicht haltbar ist, zeigt das Beispiel Dänemark: Das Land hat die im westeuropäischen Vergleich ausgeglichenste Einkommensverteilung bei gleichzeitig niedriger Erwerbslosenquote und soliden Wachstumsraten. Es kann außerdem im internationalen Wettbewerb bestens mithalten.

Umverteilung tut not - Wege zur konkreten Solidarität

Seit den 70er Jahren hat schrittweise eine administrativ ausgerichtete Politik Oberhand gewonnen, die sozialstaatlich begründete Interventionen als Hemmnis für das freie Spiel der Marktkräfte unter dem Gesichtpunkt der Wachstumsorientierung begreift. Die Propagierung des Leitbildes des "Arbeitskraftunternehmers", welcher der Manager seiner eigenen "Fähigkeiten" sei, sieht in der sozialstaatlichen Intervention Formen der Bevormundung seiner individuellen Autonomie. Insgesamt wird unter neoliberalen Vorannahmen sozialstaatlich vermittelte Politik als traditionalistisch abgewertet. Das trifft zusammen mit der Krise der Teilung der Interessenvertretung der gesellschaftlich Schwachen in Hinsicht auf die durch gewählte Vertreter gestützte parteipolitische Vertretung, die den Einzelnen in eine abstrakte Staatsbürgerrolle, und Hinsicht auf die Vertretung wirtschaftlicher Interessen durch die korporatistische Praxis der Gewerkschaften, die ihn in eine eben passive Rolle drängt. Die korporatistisch orientierte Praxis der Gewerkschaften wäre in dem Sinne aufzubrechen, dass z.B. eine stärkere Öffnung für Diskussionen über die Ursachen der strukturellen Massenarbeitslosigkeit und über neue Arbeitszeitmodelle ermöglicht wird, während die Staatsbürgerrolle als aktive Rolle im Sinne einer öffentlichen Teilnahme der Individuen an demokratisch strukturierten Willensbildungsprozessen zu entwickeln und auszuüben wäre. Unter diesen Voraussetzungen würden auch die sozialstaatlichen Leistungen, welche die durch die Wirtschaft verursachten sozialen Ungleichheiten minimieren sollen und die unter neoliberaler Perspektive als überflüssig abgelehnt unter staatlich-administrativer Perspektive als paternalistisch vorgenommene Existenzsicherung des Einzelnen verstanden werden, nicht mehr ausschließlich unter funktionalen, sondern unter normativen Gesichtspunkten zu begreifen sein. Unter Voraussetzung des Prinzips vergleichbarer Lebenslagen würden hier die interagierenden Subjekte selbst über ihre materielle Basissicherung zum Zwecke der Teilnahme an politischen Willensbildungsprozessen und vermittels derselben entscheiden. Auch und gerade diesbezüglich würde hier Solidarität gegenüber den entsolidarisierenden Folgen, die aus der neoliberalen Praxis erwachsen, konkret praktiziert.

Die Thematik Solidarität bezieht sich auch auf die Kritik und den Protest an der kapitalistisch vorgenommen Globalisierung. Vermittels der Entwicklung neuer sozialer Bewegungen der "Globalisierungsgegner" werden die Widersprüche, die in der kapitalistisch verfassten Globalisierung stecken und die sich international in der ständigen Zunahme der Differenz von Armut und Reichtum zwischen den unterentwickelten und hoch entwickelten Ländern ausdrücken, immer stärker einem öffentlichen Diskurs unterworfen, verbunden mit Forderung nach einer Änderung bestimmter Politiken (z.B. von Weltwährungsfond: und Weltbank) bis hin zur Forderung nach der Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise selbst.

Wenn wir eine Politik gegen Armut und Ausgrenzung fordern, machen wir einerseits Handlungsverweigerungen der vorherrschenden politischen und ökonomischen Kräfte sichtbar, die Gesellschaft in sozialer und ökologischer Hinsicht weiterzuentwickeln. Andererseits muss die Einengung des Politikbegriffs auf staatliches Handeln, das von sogenannten vorgeblichen Sachzwängen ausgeht, aufgebrochen werden. Eine zentrale Bedingung für ein verändertes politische Handeln ist es, die Voraussetzungen zu benennen, die den Individuen den Raum für eine solidarische Praxis ermöglichen. Unter der Prämisse des Fernziels lebenswerter gesellschaftlicher Verhältnisse ergeben sich bestimmte Nahziele. Bezogen auf diese müssen krisenträchtige gesellschaftliche Widersprüche zum Gegenstand der Auseinandersetzung gemacht werden. Im Zusammenhang dieses Memorandums ist eines dieser Ziele, den Widerspruch zwischen Armut und Ausgrenzung gegenüber Reichtum und Privilegierung, den Widerspruch zwischen selbstbestimmtem Leben und Arbeiten gegenüber der Erwerbslosigkeit sowie den Widerspruch zwischen der Mitwirkung an den eigenen öffentllichen Angelegenheiten und der Politik als einem administrativen System thematisch zu machen, um auf diese Weise selbst eine Politisierung der öffentlichen Auseinandersetzung über diese Widersprüche herbeizuführen. Es geht hierbei um die Weiterentwicklung von Elementen sozialer Demokratie durch einen Umbau des Sozialstaates. Es gilt, den Geldmechanismus gegenüber der Entfaltung lebensweltlicher Zusammenhänge zurückzudrängen und die administrative Macht der Sozialbürokratie an die "kommunikative Macht" (Habermas) der betroffenen Menschen zurückzubinden. Allerdings sind die Strukturen der politische Interessenvertretung von Armen im Wohlfahrtsstaat so stark erodiert, daß deren Bedürfnisse und Wünsche vom Raum der öffentlichen Sprache heute weitgehend abgeriegelt sind. Die staatsbürgerlichen Beteiligungsrechte der Armen werden ja nicht explizit unterdrückt, vielmehr führen die wirtschaftlichen, kulturellen und psychologischen Existenzbedingungen der Armen dazu, daß deren Energien, sich gegen die eigene Ohnmacht zu wehren, weitgehend aufgezehrt worden sind.

Wo Stummheit und Sprachlosigkeit vorherrschen, sollten von zwei Polen aus kreative Formen der Problemlösung gefunden werden:

- Auf kommunaler Ebene müssen neue Formen der Vermittlung zwischen Institutionen und den betroffenen Gruppen erprobt werden. Dazu bedarf es der Einrichtung eines auf die Lebenslagen der Armen zugeschnittenen Raums der Verständigung und Willensbildung, die die Erfahrungen "von unten" einfließen läßt: eine agorà der Armen. Die Beteiligten müssen aktiv dabei unterstützt werden, selber konkrete Vorschläge für die Möglichkeit eines besseren und weniger gefährdeten Lebens zu entwickeln. Ohne die Artikulation von deren eigenen Bedürfnissen und Interpretationen werden sich keine angemessenen Lösungen finden lassen.

- Auf der institutionellen Seite müssen die eingeschliffenen Muster der bekanntermaßen oft entwürdigen Behandlung von Armen gezielt abgebaut werden. Hierzu dürfen nicht allein Apelle verfaßt, sondern es müssen für die Beschäftigten innerhalb der Bürokratien effektive Anreize geschaffen werden, die den Sinn dieser Institutionen aus der bloß monetären Verwaltung der Armut lösen an den ablesbaren Erfolg bei der Lösung von Problemen binden.

Solidarität würde dann konkret auch heißen, daß a) Teile der institutionellen Ressourcen aus ihrer Umklammerung durch Sparzwänge und Machtinteressen herausgelöst werden, b) die Individuen einen zivilgesellschaftlichen Raum erhalten, in dem sie sich über ihre eigenen Angelegenheiten verständigen und Vorschläge formulieren können und c) die Ergebnisse dieser Beratungen effektiv in die Praxis der Sozialbürokratien zurückfließen.

Zuletzt geändert am 08.10.2001

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